Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

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herloren, nicht blos die vom Kopfe, sondern sogar die von 
den Augenbrauen und Augenlidern. Ar iie 
Einwicklungen wurden sofort in Anwendung gebracht 
mit darauffolgenden Abwaschungen; ein Spaziergang in's 
Freie (von Wärtern geführt)“folgte. Vormittags und Nach— 
nittags wurden; Sitzbäder von 18 0 genommen, während 
welcher wegen vorhandener“ Reiz⸗ und Hitzezustände des 
Zopfes allemal beruhigende Kompressen auf den letzteren ge⸗ 
legt wurden. Vor dem Schlafengehen gab's noch eine Abrei⸗ 
huͤng oder ein! Halbbad, abwechselnd. 
Einen vollen Mongat beharrte unser Kranke, unter Lei⸗ 
tung seines Vaters, treulich aus bei solcher Kurweise, öb— 
chon sich keine wesentliche Besserung zeigen wollte. Einzig 
hätten sich die allerorts empfundenen Schmerzen etwas ge— 
nildert; dagegen war der gefürchtetste Zustand, die Entzün— 
dung und Blindheit der Augen noch in vollem früheren Be— 
stande, freilich aber doch auch nicht gerade verschlimmert. 
deider nahmen die Schmerzen am Ende der fünften Woche 
iber auch wieder mehr zu und brachten den Kranken fast 
um Verzweifeln. Darauf trat wieder eine leichtere acht— 
agige Besserung ein. Doch eben nur acht Tage; denn eine 
seue schmerzens und verzweiflungsvolle Woche sollte aber— 
nals folgen. So auf und ab, bald besser, bald schlimmer 
n immer kürzeren Zeitraͤumen verharrte der Zustand im 
Ganzen etwa 6 Monate! Da auf einmal bei einem Mit— 
agessen spürte unser Kranke ein Jucken der Lippen und 
daß sie hart und steif geworden. Nach einer halben Stunde 
angen sie daun an, rosenartig aufzus chwellen, die Geschwulsi 
oflanzt sich fast blitzartig sofort über das ganze Gesicht fort 
ind binnen wenigen Stunden“ ist der Kranke am ganzen 
Körper, Rumpf, Arme, Kopf und Hals und Beine zu einer 
gestuͤtlosen, hochgerdcheten, rohem Fleische ahnlichen Masse 
aufgeschwollen. Die Beine, breit vom Körper' weggespreizt, 
„on dreifach über das Normale messendem Umfange! Unser 
Kranke, zufällig allein zu Hause, will verzweifeln— und fürch—⸗ 
det den Tod nahen. Man schickt nach dem Vaͤter, der eiligst 
ommt. Anders indeß die Meinung dieses, nachdem er sich 
‚om ersten Erschrecken beim Anblick des ungestalteten Soh— 
nes erholt hat. Er sieht in der Erscheinung einen kritischen, 
lösenden und entscheidenden Ausbruch und jubelt frohlockend 
zuf. Eine nasse Einwicklung und folgendes Halbbad und 
zochmals nasse Einwicklung und folgendes Halbbad und zum 
dritten Male nasse Einwicklung und folgendes Halbbad er— 
näßigen endlich das mit der Geschwulst aufgetretene Fieber 
his auf den erforderlichen Mittelgrad . Nr. 10, S. 83 u ff. 
g. dieses Bl.)“In dann noch mehrmals gewechselten nas⸗ 
sen Leintuͤchern blieb Patient auch noch die kommende Nacht 
zurch liegen und wie erwartet, zeigte fich dann endlich beim 
Morgenbad die Geschwulst so gut wie gauz beseitigt, aber 
nicht das allein, denn — o Wunder! auch die Entzündung 
der Augen ist gehoben und der Kranke kann zum ersten Male 
gach vollen 3.Monaten die Augen sehend offnen und das 
lang entbehrte Tageslicht wieder einsaugen, ohne alles 
Schmerzgefuͤhl 6 
Voͤn nim an trat rasche und volle allseitige Wieder— 
— Monat 
ortgeseßzte milde Wässerbehandlung noch nachträglich mehrere 
Geschwuͤre (kritische Furunkeln) zunr Vorschein. Seither ist 
keine weitere sekundäre Erscheinung mehr aufgetreten und 
daͤrf nunmehr wohl vollste Heilung angenommen werden. 
Der Blindgewesene, zum Besuche bei Verwandten, die schon 
poriges Jahr auf seine Empfehlung hier zubrachten und wie— 
derholt dieses Jahr zur Kur hier verweilen, gewährte uns 
das Bild einer Gesundheit, wie es uns heut zu Tage nur 
außerst selten noch unter die Augen tritt — eine Aufmun— 
erung für alle Eltern, die vielleicht durch Leiden veranlaßt, 
ur naturgemäßen Heil weise ihre Zuflucht zu ergreifen, 
doch ja ihren Kindern die Wohlthat der naturgemäßen Le— 
hensweise zu Theil werden zu lassen, um, wie jener alte 
graͤfenberger Wasserfreund seinen Sohn, auch sie für alle 
twa an sie kommenden Erkrankungsfälle des zukünftigen 
ewegten Jünglings⸗ und Mauneslebens auszurüsten mit 
inem Vorrath vou Gesundheitskapital, das alsdann nahezu 
mverwüstlich zu nennen ist. Aber freilich — früh muß man 
infangen mit solcher Kapitalsaufspeicherung, schon von Mut⸗ 
erbruft und Kindesbeinen an und nicht müde darf man wer— 
den und nicht nachlassen mit der Ausdauer und mit der 
Strenge bis zum zwanzigsten Jahre und darüber, bis zur 
vollen“ leiblichen und geistigen und sittlichen Selbstständigkeit 
ind Selbstbestimmung der Jugend — bis die naturgemäße 
Lebensweife bis in die innerste Fiber und Faser hinein zu 
Fleisch und Blut und Bein geworden und Mund und Ma— 
jen und Haut und Lunge und alle Sinne nicht mehr anders 
IAs nur gesund, naturgemäß gereizt und angeregt sein wol—⸗ 
len, bis die Gesetze und Regeln der naturgemäßen Lebens⸗ 
veise voll und ganz zum Verständniß und geistigen Eigen⸗ 
hum geworden sind und die Richts chnur vorschreiben in allem 
eiblichen Thun und Lassen, bis endlich die ethischen und sitt⸗ 
ichen Folgerungen und Ergebnisse der naturgemäßen Lebens— 
veise so tief und innig das ganze Fühlen und Wollen, den 
janzen Charakter des in die Welt hinaustretenden Jüng— 
ings, der Jungfrau beherrschen, so daß das mehr äußerlich 
zeiftige Soll“ zu einem uͤnbewußten tiefinnersten „Muß“, 
zu einem „Gar nicht mehr anders Können“ verkehrt ist. So 
jesundheitlich ausgerüstet sollten wir unsere Kinder dermal⸗ 
ainst hinausschicken, als lebendige stummredende Beispiele 
und als begeiftert predigende Apostel zugleich! — * 
Zur konservativen Chirurgie).— 
Die Neuzeit hat, bei allen Fortschritten in dem ver— 
schiedenen operativen Verfahren, doch das entschiedene Be⸗ 
treben, die Zahl und Anwendung derfelben so viel als mög— 
ich zu beschränken; die erhaltende Chirurgie, Chirurgia con- 
zorvatrix, gewinnt immer mehr an Vertretern und Verthei⸗ 
digern. DPr. Meli in Marseille theilte neuerdings (1. Jän⸗ 
ner d. J.) einen hierher gehörigen interessanten Fall mit. 
Wir bringen nach der Tribune médicale das Wesentlichste 
jenes Aufsatzes. 
„Ein robuster 26jähriger Matrose zermalmte sich die 
rechte Hand bei einer seiner Verrichtungen. Erstes und zweites 
Blied des zweiten, dritten und vierten Fingers wurden zer— 
hröckelt; die am Rücken und an der Seite der Hand zerfetzte 
Haut hing in mehreren Lappen herunter; die Strecksehnen 
Haren bloͤßgelegt. Der Verwundete beschwor Meli, ihm seine 
Hand, „den einzigen Ernährer seiner Familie“, wie er schrie, 
zu erhalten. Die Wunde wurde durch Wegschneiden der 
*). Vergleiche hierzu Nro. 20-22 d. Bl. 186.
	        
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