Volltext: Geschichte der Stadt und des Gerichtsbezirkes Odrau

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daß der Dt»rauer ©locienfout» von der Gemeinde verwaltet werde und der 
Stadtvorstand sich weigere, denselben herauszugeben. Der Bürgermeister berichtete 
sodann, daß der Glockenfond seit seinem Bestehen von der Gemeinde verwaltet werde, 
dermalen 387 fl. 65 ‘/2 kr. betrage und der Pfarrer bisher weder mündlich noch schriftlich 
ein Ersuchen um Erfolgung desselben gestellt habe. Das Konsistorium wandte sich 
daraus au die schlesische Landesregierung, verlangte die Herausgabe des Glockenfondes 
an das Pfarramt und forderte, da die Stadtrepräsentanz zur friedlichen Lösung sich 
durchaus nicht verstehen wolle, daß die k. k. Landesregierung der Gemeinde Ddrau 
die vaterländische Legislatur in Erinnerung bringe und sie zur strikten Einhaltung 
derselben verhalte. Die Bezirkshauptmannschaft entschied sodann am 21. November 
1887 nach vorangegangener mündlicher Verhandlung in der Gemeindekanzlei, daß 
der Glockenfond dem von den Vertretern der Stadt Ddrau und der dorthin ein¬ 
gepfarrten Gemeinden unterm 18. August 1824 ausgestellten Reverse sein Entstehen 
verdanke; daß er als ein für Kirchenzwecke bestimmter Fond anzusehen sei, welcher 
erst dann zur Verwendung komme, wenn eine Glocken-Reparatur oder -Neuan¬ 
schaffung erforderlich wäre, und daß zur Verwaltung desselben ein Ausschuß zu bestellen 
sei, in den sämtliche nach Ddrau eingepfarrten Gemeinden je ein Mitglied zu ent¬ 
senden haben, die einen Dbmann zu wählen hätten. Diesem Ausschüsse sei vom 
Stadtvorstande der Glockenfond zu übergeben. 
Die k. k. Landesregierung behob aber auf Grund der erhobenen Vorstellungen 
am 19. März 1888 die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft, da die Entscheidung 
der Frage, wem die Verwaltung des Glockenfondes zukomme, davon abhänge, ob 
dieser Fond ein kirchlicher Fond oder ein Kirchengut sei oder ob derselbe kein Kirchen¬ 
gut, sondern einen Sparpsennig der Konkurrenzpflichtigen bilde. Rücksichtlich der Frage 
des Eigentums und sonstiger privatrechtlicher Verhältnisse des Kirchenvermögens seien 
die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes maßgebend imt» stehe im Falle eines Streites 
die Entscheidung den Gerichten zu. Weil der mehrerwähnte Fond aber nachweislich 
sich bereits seit dem Jahre 1824 mit Vorwissen der kirchlichen Behörden in der Ver¬ 
waltung des Stadtvorstandes befinde, so liege für die k. k. Landesregierung jetzt kein 
Grund vor, an diesem Zustande etwas zu ändern, weshalb bis zur Austragung der 
Eigentumsfrage im ordentlichen Rechtswege die Verwaltung des Fondes dem Ddrauer 
Stadtvorstand zu belassen sei. Auch das k. k. Ministerium für Kultus und Unter¬ 
richt gab mit dem Erlasse vom 7. März 1889 dem Rekurse des Konsistoriums keine 
Folge, weil die rechtliche Natur des Fondes als eines der Kirche in Ddrau gehörigen 
Fondes weder durch den Revers vom 18. August 1824, der lediglich eine Verpflichtungs¬ 
erklärung der nach Ddrau eingepfarrten Gemeinden hinsichtlich der Instandhaltung der 
Kirchenglocken, nicht aber auch eine Widmung des zu diesem Zwecke in Aussicht ge¬ 
nommenen Fondes als Kirchenvermögen enthalte, noch durch die Beilagen des Rekurses, 
welche sich auf Anschaffung und Reparatur der Glocken vor Bildung des Fondes be¬ 
ziehen, sich ergebe und auch keine anderen Umstände angeführt worden seien, aus welchen 
ein Recht des Pfarramtes zur Verwaltung des Fondes abgeleitet werden könnte; 
ferner weil die unbestrittene Tatsache feststehe, daß durch mehr als 50 Jahre der 
Stadtvorstand in Vertretung sämtlicher eingepfarrten Gemeinden, also der Pfarr- 
gemeinde, die Verwaltung geführt habe, daher weder der Artikel 15 des Staatsgrund¬ 
gesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger in 
Frage komme, noch auch die Kirchenvermögens - Verwaltungsvorschriften, welche sich 
nur ans Kirchenvermögen im strengsten Sinne beziehen, Anwendung finden könnten. 
Die Stadtgemeinde hatte gegen die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft vom 
16. Dezember 1887, womit der Pfarrer im Bezüge des Gehaltsbeitrages bis zur Aus¬ 
tragung am ordentlichen Rechtswege provisorisch geschützt wurde, den Rekurs an die Landes¬ 
regierung ergriffen, wurde jedoch am 8. März 1888 von dieser und am 22. August 
1889 vom Ministerium für Kultus und Unterricht und am 4. März 1891 vom Ver¬ 
waltungsgerichtshose abgewiesen. Mehrfache Aufforderungen der Bezirkshauptmann¬ 
schaft, die fälligen Gehaltsbeiträge zu zahlen, blieben fruchtlos, und erst nachdem die
	        
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