Volltext: Geschichte der Stadt und des Gerichtsbezirkes Odrau

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Gratulieren zum Neujahr gestattet. Der Witwe des früheren Gerichtsdieners Matthias 
Herfort sicherte die Gemeinde täglich 6 kr. C.-M. aus dem Armeninstitute auf Lebens¬ 
dauer zu. 
Das vom Oberamte befürwortete Gesuch wurde aber abschlägig beschieden und 
das Landesgubernium eröffnete der Stadtgemeinde, daß die Gehalte der einzelnen 
Stadtbediensteten allerdings gering feien, dagegen sei aber auch die Verteilung der 
Geschäfte eine unzweckmäßige, weshalb aufgetragen werde, vom Jahre 1848 an den 
Personalstand und die Gehalte derselben sowie die Geschäftsordnung folgendermaßen 
einzurichten : 1. Sei ein Stadtvorsteher zu bestellen, welcher das Quartieramt, die 
Konskriptions- und Rekrutierungsgeschäfte zu besorgen habe, der einen jährlichen Gehalt 
von 80 fl. C.-M., das bisherige Deputat von 13 Metzen Gerste und 3% Eimer Bier 
ad personam zu erhalten habe. 2. Statt der bisherigen drei Polizeikommissäre seien 
nur zwei mit je 20 fl. zu bestellen, welche das Paßamt und die Marktaufsicht 
versehen hätten. 3. Statt eines Steuereinnehmers mit 24 fl. C.-M. und eines Stadt¬ 
kassiers mit 40 fl. C.-M. sei ein Grundbuchführer mit 80 fl. C.-M. Gehalt anzustellen, 
welcher die Grundbuch-, Steuer- und Kommunalkassa-Verwaltungsangelegenheiten zu 
besorgen hätte. 4. Statt eines Stadtdieners mit 36 fl. und einem Kirchen- und 
Marktaufseher mit 12 fl. seien zwei Städtdiener mit jährlich 25 fl. anzustellen, wo¬ 
durch statt der bisherigen Gehalte von 248 fl. für acht Individuen nunmehr für 
fünf Individuen der Gehalt von 250 fl., somit nur um 2 fl. mehr aus den Kommun¬ 
renten zu beziehen wären. Die Stadtgemeinde erhob hiegegen Vorstellung und führte 
an, daß 1. das Konskriptionsamt und Rekrutierungsgeschäft ungemein viel Schreibereien 
verursache, wodurch der Stadtvorsteher zu sehr belästigt und von seinem Geschäfte ab¬ 
gezogen werde. 2. Da seit der Aufhebung des Magistrates immer drei Polizei¬ 
kommissäre fungiert hätten und nun die Bevölkerung doppelt so groß sei als damals 
und jetzt mehr als 3000 betrage, so sei eine Reduzierung der Polizeikommissäre nicht 
tunlich. 3. Der bisherige Stadtdiener habe nebst seinem Gehalte von 36 fl. C.-M. 
noch mehrere. Nebeneinkünfte besessen, welche darin bestanden, daß er zu Josefi, 
Johanni, Michaeli und Weihnachten jedes Haus der Stadt besuchte und dort ein 
Geschenk von mindestens 1 kr. erhielt. Von den Landleuten, welche den Wochen¬ 
markt besuchten, war er berechtigt, ein Häuptel Kraut abzunehmen. Diese Bettelei 
und Abnahme des Krautes, welche die Marktbesucher fernhielt, wollten sie abschaffen, 
wofür ihm die Entschädigung von 44 fl. C.-M. zugedacht war. Würden zwei Stadt¬ 
diener mit 25 fl. C.-M. bestellt, so könnte keiner leben. Doch erfolgte auf diese Vor¬ 
stellung keine Erledigung. 
Durch das Gemeindegesetz vom 17. März 1849 wurde die städtische Ge¬ 
meinde dem Gängelbande und der Bevormundung seitens.der Obrigkeit entrückt, denn 
der leitende Grundsatz dieses Gesetzes ist: „Des freien Staates Grundfeste ist die 
freie Gemeinde." Dieses Gesetz stellt der aus Gemeindegliedern und Fremden be¬ 
stehenden Ortsgemeinde den Gemeindeausschuß als die Repräsentanz der Gemeinde 
vor, setzt die Zahl der Ausschußmitglieder, der Ersatzmänner und deren Wahl fest, 
weist ihnen ihren Wirkungskreis an unb übergibt die Administrations-Angelegenheiten 
der Gemeinde den aus dem Ausschüsse hervorgegangenen Gemeinderäten und dem 
Stadtvorsteher, welcher die Gemeinde als moralische Person nach außen hin in Zivil- 
rechts- und Verwaltungs-Angelegenheiten zu vertreten hat. Die Landgräfin brachte am 
21. August 1849 beim Kreisamte die Erklärung ein, daß die Herrschaft Odrau jeden¬ 
falls aus dem Gemeindeverbaude auszuscheiden entschlossen sei, was jedoch vom Kreis¬ 
amte nicht bewilligt wurde, weil der obrigkeitliche Grundkomplex den ganzen Flächen¬ 
inhalt des Gebietes der Stadtgemeinde an Ausdehnung nicht überstieg. 
Der erste freigewählte Stadtvorsteher war Michael Gerlich, der dieses Amt 
von 1850 bis 1854 bekleidete. Es wurde nun 1850 Johann Göbl zur Steuerein¬ 
hebung für Odrau und Neumark mit jährlich 150 fl. und Johann Urban als Stadt¬ 
schreiber mit 100 fl. angestellt, und hatte letzterer die Rechnungen und Schreibgeschäfte 
der Gemeinde zu besorgen. Da jedoch die Steuereinhebung im folgenden Jahre an
	        
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