Volltext: Geschichte der Stadt und des Gerichtsbezirkes Odrau

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Ferdinand war zuerst auf Seite der Ungarn, trat aber dann auf Seite des Banus, 
was das Pester Ministerium zu feindlichen Schritten bewog, das nun die Regierung, 
nachdem Erzherzog Stephan seine Stelle niedergelegt und Ungarn verlassen hatte, mit 
völliger Mißachtung der kaiserlichen Autorität weiterführte. Kossuth war nun Diktator 
und die Entwicklung, ivelche mittlerweile die Zustände im übrigen Österreich genommen 
hatten, schien seine Hoffnung, daß dem Kaiser zur Bewältigung Ungarns die Kräfte 
fehlen würden, zu verwirklichen. 
Die von den Studenten der Wiener Universität am 12. und 13. März 1848 
eingeleitete Bewegung hatte die Abdankung des Fürsten Metternich und das Erscheinen 
des Patentes vom 15. März zur Folge gehabt, in welchem Kaiser Ferdinand I-, den For¬ 
derungen des Zeitgeistes nachgebend, die Volksbewaffnung und die Preßfreiheit be- 
willigte und die Einführung einer Verfassung oder Konstitution für die deutsch-slavi¬ 
schen Länder des Reiches versprach, durch welche er seinen Völkern eine Teilnahme an ' 
der Regierung des Staates gewähren wollte. Am 25. April gab er die Verfassung, 
die er jedoch Mitte Mai wieder zurücknahm und anordnete, daß eine einzuberufende 
Volksvertretung selbst eine neue Verfassung ausarbeiten sollte. Während die Bewegung 
in Wien trotzdem einen mehr und mehr revolutionären Charakter annahm und den 
Kaiser zur Abreise nach Innsbruck zwang, strebte man in Prag die föderale Um¬ 
gestaltung des Gesamtstaates an und in Lemberg und Krakau suchte man eine Wieder¬ 
herstellung Polens vorzubereiten. Die Aufstände, welche in Böhmen und Galizien 
ausbrachen, wurden aber von den dort kommandierenden Generälen unterdrückt. 
Nachdem die Wahlen für die Volksvertretung vorgenommen waren, trat diese 
am 22. Juli in Wien als konstituierender Reichstag zusammen, der von allen nicht 
ungarischen Provinzen beschickt wurde, und der Kaiser kehrte im August wieder nach 
Wien zurück. Eine der ersten und ivichtigsten Verhandlungen ivar die über die Auf¬ 
hebung der Feudallasten, nämlich die Lösung des Untertänigkeitsverhältnisses samt 
den daraus sich ergebenden Rechten und Pflichten (Roboten rc.), die am 7. September 
damit endete, daß der eine Teil der Lasten mit, der andere ohne Entschädigung auf¬ 
gehoben wurde. Der ruhige Verlauf der weiteren Beratungen in Wien wurde aber 
durch den Ausbruch revolutionärer Leidenschaften gestört. Als ein Teil der Wiener 
Garnison nach Ungarn zur Bekämpfung des dortigen Aufstandes abmarschieren sollte, 
wurde dies durch einen Aufruhr, der in der Stadt am 6. Oktober 1848 ausbrach, 
und bei dem der Kriegsminister Latour ermordet wurde, verhindert. Der Kaiser, der 
am 7. Oktober nach Olmütz abreiste, betraute nun den Fürsten Windischgrätz mit der 
Bezwingung der Hauptstadt. Nachdem dieser im Verein mit Jellachich nach mehr¬ 
tägiger Belagerung (23. bis 29. Oktober) Wien eingenommen hatte, wurde der Reichs¬ 
tag in Wien geschlossen und für den 15. November nach Kremsier einberufen. Kaiser 
Ferdinand entsagte aber am 2. Dezember 1848 zu Olmütz zugunsten seines Neffen, 
des Erzherzogs Franz Josef, der Regierung, welcher als Kaiser Franz Josef I. den 
Thron bestieg. 
In Odrau, wo zu Anfang des Jahres 1848 eine Eskadron vom Schneller- 
Chevaux-Legers-Regiment gelegen war, hatte sich die Kunde von den Märztagen auch 
rasch verbreitet. Der Apotheker Hausner aus Wien erschien mit dem Zeichen der National¬ 
garde am Arme und hielt am Stadtplatze eine Rede, in welcher er zur Gründung und 
Formierung einer Nationalgarde aneiferte. Schon am 3. Mai teilte der Oberamtmann 
dem Kreisamte mit, daß in der Stadt mit Zuziehung von Neumark die Nationalgarde 
errichtet sei und aus zwei Kompagnien mit 240 Mann bestehe, deren Zahl auf 300 
steigen dürfte. Die Adjustierung sei wohl noch nicht vollständig beisammen, da die Leute 
arm wären unb die Stadt kein Vermögen habe. Die Landgräfin habe hierzu 200 fl. 
gespendet. Kommandant derselben sei Michael Gerlich, Hauptleute Berndt und Hey¬ 
mann. Drei Tage später berichtete er, daß ein Verwaltungsrat gebildet sei, daß jedoch 
ein Disziplinar- und Ehrengericht bisher nicht bestehe und der Kommandant um die 
Herausgabe von Instruktionen und um die Verabfolgung von 200 Gewehren seitens 
des Staates ersucht habe. Kreishauptmann Rzehola erwiderte, daß solche Instruktionen
	        
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