Volltext: Geschichte der Stadt und des Gerichtsbezirkes Odrau

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Damals schon hatte die Stadt den Plan gefaßt, das Rathaus umzubauen. Da 
an diesem seit dem 16. Jahrhundert das Brauhaus angebaut war, so erkauften die 
Schankbürger 1830 von dem Tuchmacher Karl Unger das Kleinbürgerhaus Nr. 118 
in der Niedervorstadt (jetzt Berggasse) samt dem Garten und daran befindlichen Wall¬ 
graben für 1336 fl. C.-M., welcher Besitz nur durch den Zwinger von dem 1788 er¬ 
bauten Malzhaus getrennt war. Hier erbauten sie mit einem Kostenanfwande von 
3400 fl. ein Wohnhaus und für 6450 fl. C.-M. ein neues Brauhaus. Zur Her¬ 
stellung der Kellerräume und der Füllkammern wurde der Wallgraben benützt. Nach 
Fertigstellung des Baues (1831) wurden die kupferne Braupfanne, die beiden großen 
Bottiche und der Kühlstock aus dem Rathause dorthin übertragen, jedoch schon im 
nächsten Jahre eine neue Braupfanne für 1779 fl. 45 kr. C.-M. beigestellt. Im Malz¬ 
hause befand sich eine Malztenne, ein Weichstock mit Wasserleitung, eine Rauch-Malz- 
dörre und ein Schüttboden. Die Schankbürger waren zum Bau eines neuen Brau¬ 
hauses auch deshalb genötigt worden, weil der Landgraf Fürstenberg die Absicht 
kundgegeben hatte, das herrschaftliche Brauhaus umzubauen und für die Lagerbier- 
Erzeugung einzurichten, was auch die benachbarten Herrschaften taten. 
Die Jaßniker Herrschaft ließ damals zur Vergrößerung des Absatzes ihr Bier 
wagenweise in die benachbarten Orte führen und dort zum Verkaufe anbieten. Im 
Jahre 1832 nahmen die Schankbürger fünf Fässer solchen Bieres in Beschlag und 
baten das Wirtschaftsamt um Schutz ihrer Gerechtsame, der ihnen auch gewährt 
wurde, „umsomehr als durch Überhandnehmen von dergleichen Einschwärzungen der 
Getränke auch das hochobrigkeitliche Bier- und Branntwein-Regale beeinträchtigt wird." 
Die Schankbürgerschaft hatte in diesem Jahre auf jeden der 50 Anteile 80 fl. Rein¬ 
gewinn verteilt. Das Jahr vorher waren 531 Eimer Bier für 3224 fl. abgesetzt worden. 
Als aber in den folgenden Jahren die Odrauer Herrschaftsbeamten ihr Deputat¬ 
bier durch den herrschaftlichen Bräuer in der Stadt verkaufen ließen, wurden die 
Schankbürger wieder in einen Rechtsstreit mit der Herrschaft verwickelt, der 1836 zu 
ihrem Gunsten entschieden wurde. Das Appellationsgericht in Brünn erklärte, „es 
könne nicht verkannt werden, daß es jedermann freistehe, Bier zum eigenen Gebrauch 
zu kaufen, wo er »volle, nur müsse der, von dem es gekauft werde, zum öffentlichen 
Schank berechtigt sein, was weder die geklagte Obrigkeit noch deren Bräuhauspächter 
in der Stadt und dem Bezirke der Schankbürger sei, da derselben ausdrücklich und 
zwar judikatmäßig der Ausschank und Ausschrot untersagt worden ist". Als die 
Herrschaftsbeamten mit dem Oberamtmanne Stoklassa auch weiterhin ihr Deputat¬ 
bier verkaufen ließen, wandte sich die Schankbürgerschaft durch ihren Rechtsfreund 
Dr. Franz Scholler unmittelbar an den Landgrafen, der ihnen durch die Güterdirektion 
mitteilen ließ, „daß den sämtlichen Deputatisten der Verkauf des Deputatbieres 
strengstens untersagt wurde." 
Die Landgräfin ließ 1842 den im waldreichen, malerisch schönen Scheuergrunde 
am Hennbache gelegenen herrschaftlichen Felsenkeller nebst dem dabei befindlichen 
Wächterhäuschen um 1328 fl. 24 kr. C.-M. erbauen. Die Herrschaftsbeamten,^ in 
der Absicht, das Erträgnis des herrschaftlichen Bräuhauses, welches mit großem 
Kostenaufwand zur Lagerbier-Bereitung nach bayrischer Art eingerichtet worden war, 
bisher aber fast gar keinen Reingewinn abgeworfen hatte, zu vergrößern, trachteten 
nun, demselben einen größeren Absatz zu verschaffen, was abermals einen der in 
der Geschichte von Odrau seit dem 16. Jahrhunderte sich fort und fort wiederholenden 
Rechtshändel der Schankbürgerschaft mit der Herrschaft im Gefolge hatte. Ohne Wissen 
der Landgräfin, aber im Auftrage des Oberamtmannes verkaufte 1843 der herrschaft¬ 
liche Schenker Bendix im Tiergarten Bier in Gebinden nach Odrau tmb ließ es den 
Parteien durch die herrschaftlichen Maulesel zuführen. Die Schankbürger aber hatten 
darauf ein wachsames Auge, ließen es einziehen, und als der Oberamtmann entschied, 
daß jene, welche das Bier bezogen hätten, keine Schankbürger seien, daher das Bier 
zu ihrem Bedarfs nehmen könnten, wo sie wollten, klagten sie die Landgräfin beim 
Troppauer Landrechte wegen viermaligem unbefugten Bierverkauf auf 100 Dukaten
	        
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