Volltext: Geschichte der Stadt und des Gerichtsbezirkes Odrau

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Der Oberamtmann berichtete am 23. August 1762 dem Grafen: „Hiesige 
Weberzunft hat von Jhro Majestät ihr lange gesuchtes Privilegium erhalten, daß 
selbe ganzivollene Rasch machen, ihr Garn und Wolle in Kesseln färben, wie nicht 
weniger ihre benötigten Handmangeln einrichten können." Die Tuchmacher wandten 
sich aber an den Grafen und baten ihn, zu veranlassen, daß dieses Privilegium auf¬ 
gehoben werde, da es nicht auf rechtmäßige Weise erworben wurde, indem die Leine¬ 
weber weder die Herrschaft, noch den Magistrat noch viel weniger die Tuchmacherznnft 
befragt haben, und fügten bei, daß sich des Grafen Einkünfte aus den Walken be¬ 
deutend vermindern würden. Die Weber mußten Muster ihrer Handarbeiten vorlegen, 
worauf er am 24. Dezember 1762 ein Majestätsgesuch einbrachte, dem er die Angaben 
der Tuchmacher und der Schwarzfärberin beilegte. Die Tuchmacher führen darin an, daß 
die Weber auf Grund der Entscheidung vom 13. Oktober 1705 zur Ruhe gewiesen 
und ihnen lediglich auf vier Stühlen zu arbeiten erlaubt worden sei, daß sie niemals 
die Bewilligung hatten, ganzwollenes Zeug, geschweige denn schmale Zeuge, wie sie 
es nennen, auf Tuchmacherart zum Untergange der zahlreichen und ohnehin mittel¬ 
losen hiesigen Tuchmacherzunft zu fabrizieren. Sie arbeiten übrigens ohnedies noch 
vielerlei anderes als Leinwand, nämlich alle Arten Tuchzeuge, Mesulan, Halbrasch 
und Halbkastor und stellen Anton Heymann, Wenzel Heinz, Wenzel Demel, Augustin 
Weintritt und Josef Demel ganzwollene Zeuge her. Da nun die Weber solche ganz¬ 
ivollene Zeuge nicht nur zu eigener Bekleidung statt des Oberzeuges, keineswegs aber 
nur zum Futter, wie es sich gebühre, verwenden und auf dem Markte feilbieten, 
würde das wenigste von Odrauer Tüchern verschlissen werden, hingegen die Weber¬ 
ware, welche viel geringer und wohlfeiler sei, einen großen Zugang erhalten, wodurch 
die Tuchmacher herunterkämen und ihren Verpflichtungen gegen die Obrigkeit unb 
den Kaiser nicht nachkommen könnten. Da die Weber sehen, daß sie bei diesen Zeugen 
gewinnen, so beabsichtigten sie, von der Verfertigung von Ganzleinen ganz abzukommen 
unb mit vereinten Kräften nur ganzivollene Arbeit herzustellen, damit sie ihre schon 
so viele Jahre hindurch hegende Rache desto nachdrücklicher ausüben und dadurch 
leicht Weg und Gelegenheit zu eigenmächtigen Gewalttaten, Schlägereien und auch 
Mordtaten bahnen könnten. Die Spinnerleute würden ihnen- von den Webern weg¬ 
genommen und seien sie schon so iveit gekommen, daß sie sich in ihren Häusern, 
wenn sie Tücher verfertigen tvollen, die Wolle völlig ausspinnen müssen, während die 
Weber ihre Wolle in fremden Häusern zurichten und ohne Hindernis aufs schönste 
und schleunigste spinnen lassen, wobei sie dann so viel Vorteil gewinnen, daß eine 
unbegreifliche Zahl solcher Zeuge verfertigt und angebracht iverden, während ihnen 
die Tücher liegen bleiben. Das Privilegium sei auch dem Privilegium der Schwarz¬ 
färber, Schönfärber und Mangler, sowie auch dem 8 11 der am 20. Juni 1755 für 
das Markgrafentum Mähren erflossenen Leinwandordnung direkt entgegen. Schließlich 
verlangten sie, daß die Fabrikate der Weber vom Tuchinspektor Anton Jaschke, der 
mit Erlaß des k. k. Landesältestenamtes vom 28. Mai 1761 als solcher von der 
k. k. Repräsentanz und Kammer bestätigt und bei seinem Eide auf das Tuchregulament 
vom Jahre 1718 verwiesen worden sei, inspiziert werden sollten. 
Graf Lichnowsky führte an, daß doch die Kaiserin die Absicht habe, die im 
Jahre 1739 ausgegebenen Zunftgeneralien zu handhaben, daher es auch jedenfalls 
nicht gestattet sei, dagegen zu handeln. In dieser Verordnung sei gesagt, daß die in 
den Städten 4. Klasse seßhaften Zünfte, wenn sie um ein Privileg ansuchen, den 
Entwurf der Grundobrigkeit vorzulegen haben. Die in seinem untertänigen Stadtel 
Odrau seßhafte Leinweberzunft habe sich nicht darnach gehalten, sondern mit sträflicher 
Umgehung seiner Person durch die Troppauer Landesstelle auf Antrag eines zaum¬ 
losen Aufwieglers sich vermessen, bei der k. böhm. Hofkanzlei um ein Privileg an¬ 
zusuchen und bei dessen Überkommung Freudenfeste und Gastmäler abgehalten und 
sofort freie Übung ihrer vermeintlichen Vorrechte gepflogen, ohne Rücksicht zu tragen, 
ob dies dieser oder jener Nebenzunft nahetrete, wodurch die Vorrechte der Dominien 
über den Haufen geworfen würden. Wenn dem Treiben der Leiniveber nicht Ein¬
	        
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