Volltext: Festschrift zum 400jährigen Bestande des öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster

sehen in den Verzierungen des Kelches langobardische, ravennatische, 
auch „östliche“ (skythische. usw.) Formen und möchten seine Ent- 
stehung, wenn nicht nach Oberitalien (Bobbio), so doch nach Salzburg 
verlegen, das dem avarischen Kunstkreis besonders nahe stand. So. wogt 
um das Werk ein großes kunstgeschichtliches Rätselraten., 
Als liturgischer Gegenstand von einzigartiger Bedeutung ist der 
Kelch noch kaum beachtet worden. Wohl hat sich jetzt die Ansicht, daß 
er ein sakrales Gefäß gewesen sein muß, so ziemlich allgemein durch- 
gesetzt. Über die Art seiner Verwendung herrscht. jedoch viel Unsicher- 
heit: Selbst Brauns neuestes Standardwerk über die kirchlichen Gefäße 
wird dem Kelch nicht gerecht. 
Es mag daher der Versuch wohl gerechtfertigt erscheinen, in einer 
Monographie, die sich vor allem auf eingehende Untersuchungen am 
Kunstwerk selbst stützt, dem Kelch zu der Stellung zu verhelfen, die 
er in künstlerischer und liturgischer Hinsicht beanspruchen darf. ; 
Der Tassilokelch besteht aus vier Teilen, der inneren und der 
äußeren Kuppa — die innere Kuppa wurde früher Einsatz genannt — 
dem Fuß mit dem Knauf oder Nodus. und dem Perlenring zwischen 
Kuppa und Nodus. Die innere Kuppa gehört so wesentlich zum Kelch 
wie der Kern zur Schale. Sie gibt dem Gefäß den Charakter des Kelches. 
Warum sie bis jetzt in den Abbildungen nicht aufscheint, wird im Ver- 
lauf vorliegender Arbeit hinreichend erklärt werden. 
Das Material, aus dem der Kelch geformt wurde, ist, von der 
inneren Kuppa abgesehen, reines Kupfer, dessen Stärke im. oberen Teil 
des Kelches zwischen 2—3 mm schwankt, in den unteren Partien bis 
4 mm ansteigen kann; Die innere Kuppa ist gehämmert, wie leicht fest- 
zustellen ist. Ebenso der Fuß mit dem Nodus. Die Spuren davon sind im 
Innern des Knaufes reichlich vorhanden. Die äußere Kuppa ist gegossen. 
Unzählige kleine Vertiefungen („Poren‘‘) im Innern derselben, die vom 
Formsand  herrühren, sind Zeugen dafür. Ein mächtiger kupferner Dorn, 
mit der äußeren Kuppa in einem gegossen, ist im Innern des Nodus 
breit gehämmert und verbindet so die äußere Kuppa und den Fuß zur 
Einheit. Der Perlenring besteht aus starken, kupfernen Perlen und ist 
ebenfalls gegossen. Er ist frei beweglich. a 
Die Oberfläche. des Tassilokelches ist mit Bildern, Tiergeflecht und 
anderem Zierat geschmückt, und, soweit nicht Silberverzierungen in 
Frage kommen, mit feinem Naturgold bedeckt. Dessen ursprüngliche 
Stärke dürfte mit 0.3 mm nicht zu hoch angesetzt sein. Die 9 Bilder 
an Kuppa und Fuß sind in Silber und Niello dargestellt. Ihre Patina 
mildert das Grelle des Materials und tritt in feine Harmonie mit dem 
Gold. Silberstreifen und Rankwerk trennen die einzelnen Darstellungen. 
Die Innenfläche der äußeren Kuppa war nie vergoldet. Die weni- 
gen dort vorhandenen Goldreste beweisen nichts. Auf dem Grunde der 
Kuppa findet sich bis zu einer Höhe von 5—6 cm kaum eine Spur von 
Vergoldung. Die unzähligen Poren im Innern sind meist goldfrei. Im 
oberen Teil der Kuppa bis zum Rand finden sich wohl kleinere und 
größere Goldflecken. Sie reichen aber, abgesehen von verirrten Spritzern, 
nur so weit in die Kuppa hinein, als die Hand des Vergolders bei der 
Außenvergoldung in das Innere hineingreifen mußte. Ganz anders die
	        
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