III. Die Slawen.
199
sodann zu Bütr, Boudir, Bäuder, gespr. Baider, geworden. Daneben
lebte aber Biutr mit Diphthong fort. Beide Formen sind (mit lat. Endung)
als Peutra und Poutra urk. bezeugt 1 ).
Auch in deutschen Wörtern begegnet dieses Doppelspiel: mhd.
triuwe,Treue, treu 1 erscheint mundartlich alsTroi (in älteren Denkmälern)
und trai, mhd. riut,Rodung 4 urk. in Ortsnamen auch als Rut, Raut, Räut,
heute gespr. Raid, geschrieben Reit; mhd. Hut mundartl. als loid, z. B.
im PN. Loidl, Deminutiv zu Liutolt, und als laid ,Leute 4 , aus lute, laute,
läute, Formen, die alle urk. zu belegen sind; mhd. diutsch als urk. deutsch,
doitsch und dautsch, d&utsch, heute daitg usw. 2 )
Aber nicht nur iu wird monophthongiert, sondern auch das aus
ihm enstandene mundartl. eo. Es heißt in der Mda. ned ,nicht 4 (mhd.
niut), Stefmufldfl Stiefmutter 4 , red Reut (z. B. im ON. Rödham), ne ,neu‘
(z. B. im PN. Nehorm?, geschrieben Nöhamer), tswe 3 ), mhd. zwiu,
,warum 4 usw.
Es ist klar, daß es nicht dieselben Leute sein können, die einer
seits i zu ei, ö zu §o und u zu iu, ou diphthongieren, anderseits iu zu ü,
eu (eo) zu e monophthongieren. Der letztere Vorgang läßt annehmen,
daß er in der Schwierigkeit, die neuen Diphthonge nachzusprechen,
seine Ursache hat. Man kann nämlich beobachten, daß in mhd. Quellen
vielfach ui für iu 4 ) und in der lebenden Mundart strichweise oi (09) für
eu (eo) aus iu, aber auch 99 für §0 aus ö auftritt. Die Mundart spricht
hier Reüd Reut, teöf tief, Seöm schieben, greöm Griebe, freösn frieren,
feur Feuer usw., dort Roid^ (Road), toif usw.; spricht hier §oks Ochs,
br§öd Brot, §tr§ö Stroh, l§ös los usw., dort §9ks, brgöd, gtröä usw. Es
muß also innerhalb unserer stammbaierischen Bevölkerung eine Schicht
gegeben haben, die es im Bestreben, die baierischen Diphthonge sich an
zueignen, nur bis zur Umkehrung derselben brachte 5 ). Der Slawe und der
Städter bekunden heute noch das gleiche Unvermögen in derselben Art.
Der Norddeutsche sagt z. B. Troie (Treue), der stammbaierische Bauer
dreö (mhd. driu = drei). Daher führe ich die Monophthonge ü aus iu,
e aus eo (eu) und die Umkehrungen ei aus ie, ou aus uo 6 ), oi (09) aus
eo (eu), 99 aus §0 in den Denkmälern und in der Mundart auf fremde
Siedler zurück, die bei uns eben die Steirer waren.
Ein Wort noch über die von slawischen Flußnamen gebildeten Orts
bezeichnungen. Sie sagen eigentlich über die Nationalität der ersten
Siedler streng genommen gar nichts aus. Dasselbe gilt von den Kirchen
patrozinien. Diese führe ich dort an, wo auch slawische oder sagen wir
steierische Ortsnamen in der Umgebung Vorkommen, weil sie dann doch
wohl auf fremde Einflüsse zurückgehen. Sonst ist da im allgemeinen
*) Oö. UB. II, 106, 110, 213.
2 ) Vgl. laut z. B. Oö. UB. IV, n. 344 (1299), dautsch ebd. VII, n. 502
(1357).
3 ) Instrumental.
4 ) Die Reime iu : ü erklären sich vielleicht ebenfalls durch die Annahme,
daß ui gesprochen wurde.
5 ) Die Schreibungen f, &, ö usw. in den Denkmälern zeigen das Schwanken.
®) Ich erinnere an Grein aus Grien, Feichte aus viehte, Bouch aus Buoch.