Volltext: Neunzehntes Bändchen (19. 1937)

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An der Mauer des Hauses Nr. 54 war ein Gestell zur 
Aufnahme der langen Feuerleitern und Freihafen; zum 
Schutze der Leitern war ein Bretterdach angebracht. Diese 
Leitern waren keine Zierde für die Gasse. 
Das Haus Nr. 54 war früher ein großes Oekonomie- 
haus mit einem großen Hoftor in die Kirchengasse, die 
beiden Winkel des Tores bildeten ein öffentliches Pissoir. 
Wer könnte sich dieses heute vorstellen! Dieses Haus ist 
heute ein modernes, schönes Kaufmannshaus. Beim Hause 
Nr. 54 war ein großes, plumpes Wasserkar in den Boden 
eingerammt; es stand nur wenig aus dem Boden hervor, 
so daß die Klrchenbesucher, wenn die schmale Gasse voll- 
gedrängt war, darüberstolperten. Besonders oft geschah es 
in der Roratezeit. Die Bürgerschaft war damals so kon¬ 
servativ, daß sie sich vom Althergebrachten nicht trennen 
wollte, und so stolperten die Leute viele Jahrzehnte über 
das Wasserkar. Von diesem Wasserkar floß das Wasser 
einerseits in den Pfarrhof als Hauswasser, anderseits in 
die Schulgasse zum öffentlichen Wassergrander. Erst in den 
80er-Jahren wurde die Kirchengasse schön gepflastert, das 
Wasserkar wurde reguliert und im Trottoir eine kleine Eisen- 
platte als Deckel eingelassen. 
Vom Pfarrhof bis zum Schulhause quer über den 
Kirchenplatz verlief die Friedhofmauer. In oer Mitte dieser 
Mauer war das Friedhoftor, unter dem eine Grube mit 
einem liegenden starken Eisengitter angebracht war. Dieses 
Gitter fand man früher bei allen Pfarrkirchen, in jenen 
Orten, wo das gemeinsame Viehhüten gebräuchlich war, wie 
in Haslach. Dieses Gitter wurde zum Schutz des Fried¬ 
hofes angebracht, damit die Tiere nicht in den Friedhof ein¬ 
drangen und die Grabkreuze umrannten. Wenn die Tiere 
auf das Gitter traten, gingen sie zurück. 
Es war damals üblich, daß die Armenleichen beim 
Einsegnen unter das Friedhoftor gestellt wurden. Daher 
nannte man die Armenleichen auch zurück. oder man 
sagte: Auf's Gadarat bringen. 
Nachdem die Mauer und das Gitter verschwunden waren, 
setzte man die Leichen noch immer ausf diese Stelle, welche 
durch die vier Randsteine der ehemaligen Grube noch 
erkenntlich war.
	        
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