Volltext: Siebzehntes Bändchen (17. 1933)

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Johann Sigl, Pfarrer i. R. in Kleinzell: 
 
Unsere Volksmundart. 
 
Die sprachlichen Verschiedenheiten, welche ein Volk gegen- 
über seiner einheitlichen Schriftsprache gebraucht, nennt man 
die Mund- oder Sprechart dieses Volkes, wofür das Ursprung- 
lich griechische Wort „Dialekt" häufig gebraucht wird. Der 
Mundart eines Volkes kommt sehr große Bedeutung zu, ent- 
hält sie doch dessen ältestes Sprachgut, aus dem sich der 
ganze Geist des Volkes widerspiegelt. Möge doch niemand 
aus dem Landvolke sich seiner alten Sprachart schämen, 
sondern vielmehr eine Ehre darein setzen, dieselbe fort und 
fort zu gebrauchen; jeder Studierte hört dem Landvolke 
beim Sprechen aufmerksam zu und fühlt sich dabei fort- 
während zum Nachdenken und Nachforschen angeregt; lachen 
kann über die Volksmundart nur einer, der nichts im Kopfe 
hat, der also ein Hohlkopf ist. 
Schon überhaupt verlieren sich alte Volksausdrücke mit 
der Zeit, das geschieht aber gar sehr gerade gegenwärtig 
infolge des jetzigen Verkehres, durch den Landleute so leicht 
in die Stadt und Städter so leicht auf das Land kommen 
können. Bei diesem vielfachen Verkehre schämen sich leider 
viele Landleute wirklich ihrer angestammten Mundart und 
so ist es unvermeidlich, daß unser bodenständiger Volks- 
dialekt Schritt für Schritt zurückgedrängt wird und Platz 
machen muß der angleichenden Verkehrssprache, nämlich der 
städtischen Umgangssprache eines Gebietes. Man möge aber 
wissen, daß mit der Volksmundart auch Einfachheit, Offen- 
heit, Selbständigkeit und andere ländliche Tugenden klein- 
weise verdrängt werden. 
Die Heimatkunde setzt es sich zur Aufgabe, fortwährend 
aufzufrischen die Liebe nicht nur zur heimatlichen Scholle 
und Sitte, sondern auch zur Sprache der Heimat, um so 
der zunehmenden Verflachung unseres Volkstums entgegen- 
zuwirken. Betrachtet nun ein Heimatkundler aufmerksam die 
gegenwärtige Zeit, so kommt er zur traurigen Ueberzeugung, 
daß sich von unserer alten Volksmundart vieles auf die 
Dauer nicht mehr halten läßt, denn manche Landleute wol¬ 
len ja selbst ihre alte Sprechweise aufgeben und ihre 
Sprache „verstädtischen" und sie lassen dabei die Heimat-
	        
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