- 22 -
heiten. „Jetzt wird es gerade 12 Uhr, also Geisterstunde;
wenn wir beim Schlögerkreuz vorbei müssen, werde ich die
Geister rufen, weil ich jetzt den Beschwörungsspruch weiß,
und wenn ein Irrlicht kommt, so freut es mich, denn dieses
kann uns leuchten", so sprach sie, wobei die anderen Weiber
ob dieser Rede ganz erschracken. „Mensch," erinnerte gereizt
eine ältere, himmellange Inwohnerin, „Du weißt nicht, was
Du redest; das ist Frevel, ist Sünde; Du bist noch nicht
trocken hinter den Ohren. Da könnte ich eine Geschichte er-
zählen, wie solche Frevler gestraft wurden, aber die jungen
Leute wollen gescheiter sein bis sie selbst darüber gefallen und
sich die Nase angestoßen haben". „Erzählen! Erzählen!",
schrien die anderen und die Aufgeforderte begann nun: „Ich
hatte in jungen Jahnen einen guten Bekannten; Hiasl hlat
er geheißen. Wir waren sogar verwandt, denn meine
Mutter und seine Mutter waren" — „Weiber," fiel die
junge, vorher abgekanzelte Magd jetzt ins Wort... „Halt
die Goschen und mach mich nicht irre! Wo bin ich stehen
geblieben? Richtig: der Hiasl, der war auch so ein für-
witziger Mensch, der nur spotten konnte. Nachts ging er
einmal — er hatte etwas zu tief ins Glas geschaut — nach
Hause; da beim Schlögerkreuz kam auf einmal neben ihm
her ein Licht mit bläulich brennender Flamme. Der Hiasl
rief es an: „Kommst mir gerade recht, brauche Tabakfeuer";
doch ruhig leuchtete das Licht und ging seinen Weg. „Da
wurde der Hiasl übermütig und er schlug mit seinem Stock
aus das Licht ein. Aber kaum hatte er den Stock erhoben,
da bekam er eine solche Ohrfeige, daß er in den Straßengraben
purzelte. Von dieser Zeit war der Hiasl ein ganz anderer;
die Geschichte ist gewiß wahr," so schloß die Erzählerin, und
warf dabei noch einen warnenden Blick auf die vorlaute junge
Dirn. Da niemand etwas darauf erwiderte, rüstete man
zum Aufbruch; aber wie zum Abschied, ließ sich die vor-
herige Rednerin noch so verlauten: „Wenn wir das nächste
Mal zum Ausschlagen zusammenkommen, werde ich Euch
erzählen vom feurigen Drachen und, wie das Nachtgejaid eine
Brechlerin mitgenommen und beim Schlögerkreuz wieder hat
fallen lassen. Da meldete sich wieder die junge Magd, welche
bisher geschwiegen: „Geh, sei so gut, und verrate uns lieber
das Rezept zum Zaubertrank, den Du Deinem Mann unter
die Mehlsuppe rührst, daß er Dir treu bleibt, und Dich noch
das lieb hat, denn das ist wirklich ein, Wunder". Da