Volltext: Vierzehntes Bändchen (14. 1926)

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heiten. „Jetzt wird es gerade 12 Uhr, also Geisterstunde; 
wenn wir beim Schlögerkreuz vorbei müssen, werde ich die 
Geister rufen, weil ich jetzt den Beschwörungsspruch weiß, 
und wenn ein Irrlicht kommt, so freut es mich, denn dieses 
kann uns leuchten", so sprach sie, wobei die anderen Weiber 
ob dieser Rede ganz erschracken. „Mensch," erinnerte gereizt 
eine ältere, himmellange Inwohnerin, „Du weißt nicht, was 
Du redest; das ist Frevel, ist Sünde; Du bist noch nicht 
trocken hinter den Ohren. Da könnte ich eine Geschichte er- 
zählen, wie solche Frevler gestraft wurden, aber die jungen 
Leute wollen gescheiter sein bis sie selbst darüber gefallen und 
sich die Nase angestoßen haben". „Erzählen! Erzählen!", 
schrien die anderen und die Aufgeforderte begann nun: „Ich 
hatte in jungen Jahnen einen guten Bekannten; Hiasl hlat 
er geheißen. Wir waren sogar verwandt, denn meine 
Mutter und seine Mutter waren" — „Weiber," fiel die 
junge, vorher abgekanzelte Magd jetzt ins Wort... „Halt 
die Goschen und mach mich nicht irre! Wo bin ich stehen 
geblieben? Richtig: der Hiasl, der war auch so ein für- 
witziger Mensch, der nur spotten konnte. Nachts ging er 
einmal — er hatte etwas zu tief ins Glas geschaut — nach 
Hause; da beim Schlögerkreuz kam auf einmal neben ihm 
her ein Licht mit bläulich brennender Flamme. Der Hiasl 
rief es an: „Kommst mir gerade recht, brauche Tabakfeuer"; 
doch ruhig leuchtete das Licht und ging seinen Weg. „Da 
wurde der Hiasl übermütig und er schlug mit seinem Stock 
aus das Licht ein. Aber kaum hatte er den Stock erhoben, 
da bekam er eine solche Ohrfeige, daß er in den Straßengraben 
purzelte. Von dieser Zeit war der Hiasl ein ganz anderer; 
die Geschichte ist gewiß wahr," so schloß die Erzählerin, und 
warf dabei noch einen warnenden Blick auf die vorlaute junge 
Dirn. Da niemand etwas darauf erwiderte, rüstete man 
zum Aufbruch; aber wie zum Abschied, ließ sich die vor- 
herige Rednerin noch so verlauten: „Wenn wir das nächste 
Mal zum Ausschlagen zusammenkommen, werde ich Euch 
erzählen vom feurigen Drachen und, wie das Nachtgejaid eine 
Brechlerin mitgenommen und beim Schlögerkreuz wieder hat 
fallen lassen. Da meldete sich wieder die junge Magd, welche 
bisher geschwiegen: „Geh, sei so gut, und verrate uns lieber 
das Rezept zum Zaubertrank, den Du Deinem Mann unter 
die Mehlsuppe rührst, daß er Dir treu bleibt, und Dich noch 
das lieb hat, denn das ist wirklich ein, Wunder". Da
	        
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