Volltext: Elftes Bändchen (11. 1926)

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Dim- und Sarmingbaches, sie alle haben ihre von lange her überlieferten Mären 
und Geschichten, in denen sich Wahrheit und Sage vermengen. In solcher Fülle 
häuft sich der Stoff, daß ich einstweilen nur Weniges davon herausgreifen und — 
so Gott will — mir eine Fortsetzung auf spätere Zeiten sparen will. An die Reste 
zweier im Feldaistgebiete gelegener Burgen, nämlich Dornach und Prandegg, heften 
sich nachfolgende Sagen: 
 
Der Schatz von Dornach. 
 
Jukunde, die Hirtin, trieb ihre Herde 
Durch waldiges Dämmern zum Wiesenplan. 
Schon neigt sich zu nächtlichem Schlummer 
die Erde, 
Schon fangen die Sterne zu leuchten an. 
Da stutzen die Tiere beim Waldessaume 
Und strecken die Hälse, als drohte Gefahr; 
Sie äugen hinüber zum Eichenbaume 
Und werden ein Leuchten und Flimmern 
gewahr. 
Da tritt eine Frau aus dem Wiesenplan. Schatten, 
Ein Wesen, so zart wie der Nebelduft, 
So leicht hinschreitend auf tauigen Matten, 
Als schwebe ein Schemen dahin durch die Luft. 
In angstvollem Schweigen verharret Jukunde: 
Da winkt die Erscheinung der Hirtin und spricht: 
„Du kamst an die Stelle zur richtigen Stunde, 
„Drum höre mich an und fürchte Dich nicht! 
„Ich bin eine arme, verlassene Seele, 
„Schwer drücket mich fremde und eigene Schuld, 
„Ich harre der Rettung aus einstiger Fehle 
„Durch Gottes unendliche Güte und Huld. 
„Hörst Du jenes Vögeleins sanftes Flöten? 
(„Es tönt aus dem dichtesten Eichenhain.) 
„Dies wird mich erlösen aus Qualen und Nöten 
„Und einst meines Heiles Begründer sein. 
„Dies Vöglein wird pflücken den Samen 
der Eiche, 
„Hinweg ihn tragen an ferneren Ort, 
„Damit er keime und Wachstum erreiche, 
„Gedeihend, erstarkend fort und fort. 
„Und aus dem Holz vom gefällten Baume 
„Wird zierlich gezimmert mit Kunst Ort, Geschick 
„Die Wiege, in deren beschränktem Räume 
.„Ein Kindlein entgegenschlummert dem Glück. 
„Erwachsen, wird das erkorene Wesen . 
„Mein Retter und mein Befreier sein, 
„Von Gott als ein Werkzeug auserlesen 
"Zu enden die Qual, die unsägliche Pein. 
„Er hebet den Schatz an verborgener Stelle 
„Holt ihn aus den Tiefen der Erde hervor, 
„Entsühnt meine fluchbeladene Seele 
„Und weist ihr den Pfad zu den "Zu empor. 
„Doch lauge noch muß ich bereuen und büßen 
„Verbannuug und Schmerz sind mein 
traurig Teil, 
„Eh mich die Verklärten versöhnend grüßen, 
„Und endlich führen zum ewigen Heil." 
Ein Weheruf tönt — ein bängliches Klagen, 
Ein letzter Seufzer verweht, verhallt. 
Vom Windstoß durch die Lüfte getragen, 
— — und düster und einsam starret 
der Wald. 
Die Ahne ist zu Ende 
Mit ihrer alten Mär, 
Nun falten erst die Hände. 
Die Enkel um sie her. 
Sie bitten uud sie fragen: 
Großmütterlein, ists wahr? 
Und darf mans weitersagen? 
Es klang so wunderbar. 
Was hat die Frau verschuldet? 
O, tu uns eilig kund, 
Ob sie noch Strafe duldet 
Bis auf die heutige Stund'. 
Hat's Vöglein fortgetragen 
Den Keim zum Erdenschoß? 
Ward schon der Baum geschlagen, 
Der aus dem Samen sproß? 
Ist jenes Kind geboren, 
Dem hold das Schicksal lacht? 
Wer wald zum Glück erkoren 
Von einer höheren Macht? 
Liegt in der dunklen Erden 
Der ungehobne Schatz? 
Wem wird die Segnung werden 
Am ausgefundnen Platz? 
Die Greisin schüttelt das Haupt und spricht: 
„Ihr lieben Kinder, das weiß ich nicht. 
Doch Hab' ich in meinen Jugendjahren 
Ein grausig Erlebnis selbst erfahren. 
Ihr kennt die Hammerschmiede am Bach? 
Geht nur dem Laufe des Wassers nach, 
So könnt ihr in schattigen Erlengründen 
Wohl ohne Mühe die Stelle finden. 
Dort hat man, um eine Mühle zu baun, 
Einst Felsen gesprengt und Steine behaun. 
Auch Bäume fällten die Zimmerleut, 
Daß Nutz- und Bauholz läge bereit. 
Hoch ragte ein mächtiger Eichenbaum 
Nicht weit vonderSchmiede amWaldessaum.
	        
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