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Die erbitterten Worte des Weibes waren nur mehr für die lachenden Zuhörer
hinter Fenstern und Haustüren der Nachbarschaft gesprochen —, denn der „Böhmhans"
war schon außer Hörweite, — er hatte sich eiligst weitergemacht.
Zornig fiel die Haustür ins Schloß, ingrimmig schimpfte die erboste Frau fort:
„ Weils aber auch wahr is l Dö ganz' Wocha schinden und plagen, und Tag
für Tag das gleiche Kreuz! Wann mi do da Herrgott davon erlösen tät."
Es wurde eine schlimme Nacht, — denn die schimpfende Gattin sorgte
sich — trotz ihrer unlieben Reden, denn ihr Herz war nicht so schlimm. Zwischen
ihr und dem Gatten herrschte die „greinad' Liab".
Drum schlief sie wenig, weinte und horchte in der Nacht hinaus. Bald nach
dem Frühläuten stand sie auf, sie wollte zur Kirche. Da hörte sie von vorübereilenden
Ministrantenbuben die Rede: „Weißt es schon, daß sie den böhmischen Hans aus'n
Wasser zogen haben? Beim Meingast drunten haben's 'u aufgfangt und in den
Pfarrhof haben's ihn bracht." Die rohen Buben lachten noch dazu.
Ein Augenblick lähmenden Todesschrecks — ein gellender Jammerschrei I Dann
raste ein Weib über den Kirchenplatz, — hin zum Pfarrhofe, wo sich eine Menschen-
menge angesammelt hatte. Mit Fäusten und Ellbogen drängte sich die Unglückliche
vor, — stieß beiseite, was im Wege war und nicht ausweichen wollte.
„Wo was 'n? Wo is mein Hans?"
Wie eine Wahnsinnige schrie sie es den Leuten entgegen. Verständnislos,
verwundert, wich alles zur Seite —
„Was hat denn dö? Is sie leicht närrisch wordn?"
Und nachdem die Bresche in den Menschenknäuel geschlagen war, stand die
vor Angst und Reue Halbtote vor der Tragbahre, auf der — die Holzfigur des
heiligen Nepomuk lag.
„Ja, schau ihn nur an, den böhmischen Johannes! Es ist ein braver
Heiliger, — der hat 's Maul halten können, an dem kannst dir ein Beispiel
nehmen!"
„Den da hats zuwi g'schwemmt zum Meingast, an der Glocken hat er sich
verfangt und dö hats Läuten anghebt."
„Ja, was tuast denn du da, Alte!"
Die letzten Worte wirkten wie ein Blitzschlag. Denn da stand er ja — heil
und unversehrt, — ihr Mann, den die Leute den Böhmhans nannten und den
sie schon in den Fluten ertrunken geglaubt hatte.
„Heil und gesund! Heiligste Dreifaltigkeit, sei gelobt." So rief es im Innern
des Weibes. — „Aber scheinen lassen? Ewig nicht!"
Sprechen konnte sie nicht, — aber hastig packte sie ihren Mann am am
und zog ihn fort. — Der Erstaunte wußte nicht, wie ihm geschah — sie greinte
gar nicht, seine Alte.
„Ja, Weib, was hast denn? Was is denn geschegn?"
Keine Antwort.
„Wird di doch net der Schlag auf d'Red troffen haben?"
Endlich eine ganz sanfte Entgegnung: „Geh hoam! Schau, daß d' ins Bett
kommst. — schlaf di aus!"
Der heilige Nepomuk, der Held des Schweigens, hatte ein Wunder gewirkt:
Der Friede kehrte ein in das Häuschen des „Böhmhansen" und die Liebe siegte. Mit
Sanftmut und Güte wurde erreicht, was alles Greinen und Kepeln nicht vermocht hatte.
Als das Hochwasser sank, stellten die Bürger von Ottensheim den
angeschwemmten Heiligen bei der Ueberfuhr am Kai in einem stattlichen Vorbau