Volltext: Achtes Bändchen (8. 1923)

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wollte das Vieh nicht fressen und magerte infolgedessen furchtbar ab. Es blieb 
also kein Zweifel übrig, daß der Viehstand des Bauers verhext sei. Er wandte 
sich an den berühmtesten Hexenmeister jener Zeit, welcher in der Pfarre Haslach 
seine einträgliche Praxis ausübte. Der hexenkundige Mann gab ihm den Auftrag, 
das einzige Kalb, welches er im Stalle hatte, zu töten, und zwar auf folgende 
Weise: Das Kalb muß mit den vorderen Beinen außerhalb des Stalles und mit 
den hinteren im Stalle stehen und in dieser Lage muß ihm der Kopf vom Rumpfe 
getrennt werden. Ist dies geschehen, soll der Kopf auf den Misthaufen kommen, 
das Fleisch des Kalbes aber soll an Arme verschenkt werden. Der Bauer tat nun, 
wie der Hexenmeister es ihm anbefohlen hatte. Als er den Kalbêkopf auf den 
Misthaufen warf, schrie er noch eine Viertelstunde lang fort, so daß den Leuten 
schon angst und bange wurde. — Von dieser Zeit an hatte der Bauer kein Unglück 
mehr im Stalle. 
 
Eine Kindererscheinung. 
In stockfinsterer Sommernacht ging einst ein Häusler vom „Jagawirt" in 
Stift am Grenzbach (Pfarre Kollerschlag), wo er gezecht hatte, nach Hause. Sein 
Weg führte ihn an der sogenannten „Donnerbauer-Kapelle" vorbei. Als er die 
Kapelle passiert hatte, bemerkte er in einiger Entfernung ein Licht, daß sich all- 
mählich vergrößerte, je näher er demselben kam. In unmittelbarer Nähe desselben 
angekommen, sah er ein etwa fünfjähriges Kind, mit einem langen, roten Röcklein 
bekleidet, die Hände auf der Brust gekreuzt, auf einem Feldrain stehen. In einer 
Anwandlung von Furcht und Gruseln blieb er, den Blick aus die rätselhafte Er- 
scheinung geheftet, stehen. Doch ehe er den Weg fortsetzte, wollte er die offenbar 
übernatürliche Erscheinung um ihr Begehren fragen. Allein, als er an die Aus- 
führung seines Vorhabens schritt, war die Gestalt verschwunden. Dieses Vorkommnis 
hat sich, wie ziemlich übereinstimmend von den Leuten der Kollerschläger und Peil- 
steiner Pfarre mitgeteilt wird, in den Siebzieger-Jahren des vergangenen Jahr- 
Hunderts zugetragen. 
 
Gold statt Kohlen. 
Eine Frau ans der Julbacher Gegend ging einmal während des sonntägigen 
Vormittagsgottesdienstes ins Beerenpflücken und sah auf einmal vor sich einen 
kleinen Kohlenhaufen. Sie nimmt sich einige Brocken der schwarzen Kohle und steckt 
sie in den „Kittelsack". Nach Hause gekommen, will sie die Kohlen den Kindern 
geben, da sieht sie aber zum großen Erstaunen statt der Kohlen lauter goldene 
Münzen. Sie will sich nun mehr solcher Kohlenstücke nach Hause tragen, doch sie 
findet nicht ein Stücklein mehr. Die Leute sagen, wenn sie ein Stücklein Brot oder 
einen geweihten Gegenstand auf die Kohlen geworfen hätte, wäre sie eine reiche 
Frau geworden, da ihr dann die Kohlen gehört hätten. 
 
Der Riesenhannes. 
Eine der landläufigsten Sagen der oberen Mühlviertlergegend ist die des 
„Riesenhans". Derselbe entstammte einer Riesenfamilie und war fünf Meter groß 
und natürlich auch „riesig" stark. Mit 17 Jahren verdingte er sich als Knecht zu 
einem Bauern, der ihn am liebsten gleich am ersten Tage nach dem Frühstück ver- 
jagt hätte. Der neue, große Knecht hatte zum Frühstück nicht weniger als zwei 
große Bauernlaibe Brot gegessen, weshalb den Bauersleuten vor dem Vielfraß 
Grauen anging. Der Dienstherr schickte seinen Knecht darauf in den Wald ins
	        
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