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Um eine erschöpfende Erklärung für die frühere Steilheit vieler Bergstraßen
zu finden, muß man zurückgehen auf die Entstehung der Fahrwege. Ursprünglich
gab es bei uns keine Fahrstraßen, wenigstens keine längeren; für den Nahverkehr
von Haus zu Haus und von Dorf zu Dorf hatten die Besiedler unserer Gegend
sich nur einfache Gangsteige angelegt, die sie steil auf die Höhen führten, um an
schon urbar gemachtem Boden zu sparen und vor allem an Zeit; auf eigene Schonung
und Bequemlichkeit nahm man keine Rücksicht, sondern ging nur der Nähe nach.
Der Fernverkehr wurde aber bekanntlich in alten Zeiten von den „Säumern" mittels
Lasttieren, d. h. Tragtieren, bewerkstelligt; dabei wurden die Saumwege absichtlich
über die Höhen geführt, da die Täler im Winter durch Schneeverwehungen und zu
anderen Zeiten durch den Wasserstand oft lange unpassierbar waren. Aus dem gleichen
Grunde und auch noch, um nicht so leicht von einer feindlichen Macht unversehens
überfallen werden zu können, haben ja auch schon die Römer ihre Straßen über
die Höhen geführt. Legte man die Saumwege schon überhaupt über die Höhen an,
so wurden dabei auch noch die einzelnen Höhen steil genommen und hier ebenfalls
ohne viel Schonung der Nähe nachgegangen, zumal auch die Tragtiere eine Höhe
verhältnismäßig leichter überwinden als die Zugtiere.
Im Nahverkehr kam bald der Wagen in Gebrauch, doch benützte man mit
demselben nur die schon angelegten steilen Verbindungswege, welche jetzt etwas ver-
breitert wurden; das war das einfachste, kostete wenig Mühe und schon urbaren
Grund und auf Wagen, Roß und Mann nahm man um so weniger Rücksicht, als
ja bei der so einfachen Lebensweise unserer Vorfahren der Wagenverkehr in der
Umgebung sehr gering war und man überhaupt nur leichte Ladungen kannte. Auch
von Pfarrdorf zu Pfarrdorf legte man durch lange Zeit keine unmittelbaren Fahr-
straßen an, sondern im Bedarfsfalle benützte man die schon von Dorf zu Dorf be-
stehenden Verbindungsfahrwege und kam auch so ans Ziel, wenn auch zumeist aus
bedeutenden Umwegen und über unnötige Höhen. Es möge ein Beispiel gestattet
sein: Für eine Fahrstraße von Niederkappel nach Lembach hätte von jeher das
Tagleinsbachtal die weitaus kürzeste und bequemste Linie aufgezeigt, doch wurde da
nie eine Straße gebaut, zumal für dieselbe sich nie hinreichend viele Interessenten
fanden, denn die Dörfer liegen daselbst aus den verschiedenen Höhen und kein einziges
im Tale. Man fuhr also von Niederkappel auf den Dorfverbindungswegen so nach
Lembach: Zuerst ging es steil hinab zum Krindlbach, nach dessen Ueberquerung
mittels einer Furt es überaus steil hinaufging zum Dorfe Kaindlsdorf, von da hinauf
nach Witzersdorf und obwohl dieses ziemlich hoch über Lembach liegt, fuhr man noch
höher zur nächsten Ortschaft Remersdorf, von da jäh hinab zum Tagleinsbach und
von diesem wieder hinauf, um endlich erschöpft in Lembach zu landen; viel Wasser
hatte während einer solchen Fahrt der Tagleinsbach von Lembach nach Niederkappel
hinausgeführt. So war es früher und wie steht es dort heute? Da der direkte
Verkehr zwischen Niederkappel und Lembach nur ein ganz geringer ist, muß man
auch heute noch über die Höhen der Ortschaften fahren, nur daß diese Linie seither
bedeutend verbessert wurde, indem man zuerst den Abstecher nach Remersdorf ausließ
und Witzersdorf unmittelbar mit Lembach verband, dann in das Krindltal doch
etwas schräger einfuhr und gegenwärtig den Kaindlsdorferberg „umlegt".
Für den Fernverkehr hörte zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Remersdorf
wesen auf und begann auch da jetzt das Wagenfuhrwerk. Die Umwandlung von
den „Säumern" in „Landfahrer", von den „Saumrossen" in „Fuhrrosse", von
den „Saumsätteln" in „Lastwagen" geschah aber ziemlich rasch, wenistens weit
rascher, als daß unterdessen hätten ordentliche Fahrstraßen hergestellt werden können,