Volltext: Achtes Bändchen (8. 1923)

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Um eine erschöpfende Erklärung für die frühere Steilheit vieler Bergstraßen 
zu finden, muß man zurückgehen auf die Entstehung der Fahrwege. Ursprünglich 
gab es bei uns keine Fahrstraßen, wenigstens keine längeren; für den Nahverkehr 
von Haus zu Haus und von Dorf zu Dorf hatten die Besiedler unserer Gegend 
sich nur einfache Gangsteige angelegt, die sie steil auf die Höhen führten, um an 
schon urbar gemachtem Boden zu sparen und vor allem an Zeit; auf eigene Schonung 
und Bequemlichkeit nahm man keine Rücksicht, sondern ging nur der Nähe nach. 
Der Fernverkehr wurde aber bekanntlich in alten Zeiten von den „Säumern" mittels 
Lasttieren, d. h. Tragtieren, bewerkstelligt; dabei wurden die Saumwege absichtlich 
über die Höhen geführt, da die Täler im Winter durch Schneeverwehungen und zu 
anderen Zeiten durch den Wasserstand oft lange unpassierbar waren. Aus dem gleichen 
Grunde und auch noch, um nicht so leicht von einer feindlichen Macht unversehens 
überfallen werden zu können, haben ja auch schon die Römer ihre Straßen über 
die Höhen geführt. Legte man die Saumwege schon überhaupt über die Höhen an, 
so wurden dabei auch noch die einzelnen Höhen steil genommen und hier ebenfalls 
ohne viel Schonung der Nähe nachgegangen, zumal auch die Tragtiere eine Höhe 
verhältnismäßig leichter überwinden als die Zugtiere. 
Im Nahverkehr kam bald der Wagen in Gebrauch, doch benützte man mit 
demselben nur die schon angelegten steilen Verbindungswege, welche jetzt etwas ver- 
breitert wurden; das war das einfachste, kostete wenig Mühe und schon urbaren 
Grund und auf Wagen, Roß und Mann nahm man um so weniger Rücksicht, als 
ja bei der so einfachen Lebensweise unserer Vorfahren der Wagenverkehr in der 
Umgebung sehr gering war und man überhaupt nur leichte Ladungen kannte. Auch 
von Pfarrdorf zu Pfarrdorf legte man durch lange Zeit keine unmittelbaren Fahr- 
straßen an, sondern im Bedarfsfalle benützte man die schon von Dorf zu Dorf be- 
stehenden Verbindungsfahrwege und kam auch so ans Ziel, wenn auch zumeist aus 
bedeutenden Umwegen und über unnötige Höhen. Es möge ein Beispiel gestattet 
sein: Für eine Fahrstraße von Niederkappel nach Lembach hätte von jeher das 
Tagleinsbachtal die weitaus kürzeste und bequemste Linie aufgezeigt, doch wurde da 
nie eine Straße gebaut, zumal für dieselbe sich nie hinreichend viele Interessenten 
fanden, denn die Dörfer liegen daselbst aus den verschiedenen Höhen und kein einziges 
im Tale. Man fuhr also von Niederkappel auf den Dorfverbindungswegen so nach 
Lembach: Zuerst ging es steil hinab zum Krindlbach, nach dessen Ueberquerung 
mittels einer Furt es überaus steil hinaufging zum Dorfe Kaindlsdorf, von da hinauf 
nach Witzersdorf und obwohl dieses ziemlich hoch über Lembach liegt, fuhr man noch 
höher zur nächsten Ortschaft Remersdorf, von da jäh hinab zum Tagleinsbach und 
von diesem wieder hinauf, um endlich erschöpft in Lembach zu landen; viel Wasser 
hatte während einer solchen Fahrt der Tagleinsbach von Lembach nach Niederkappel 
hinausgeführt. So war es früher und wie steht es dort heute? Da der direkte 
Verkehr zwischen Niederkappel und Lembach nur ein ganz geringer ist, muß man 
auch heute noch über die Höhen der Ortschaften fahren, nur daß diese Linie seither 
bedeutend verbessert wurde, indem man zuerst den Abstecher nach Remersdorf ausließ 
und Witzersdorf unmittelbar mit Lembach verband, dann in das Krindltal doch 
etwas schräger einfuhr und gegenwärtig den Kaindlsdorferberg „umlegt". 
Für den Fernverkehr hörte zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Remersdorf 
wesen auf und begann auch da jetzt das Wagenfuhrwerk. Die Umwandlung von 
den „Säumern" in „Landfahrer", von den „Saumrossen" in „Fuhrrosse", von 
den „Saumsätteln" in „Lastwagen" geschah aber ziemlich rasch, wenistens weit 
rascher, als daß unterdessen hätten ordentliche Fahrstraßen hergestellt werden können,
	        
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