Volltext: Achtes Bändchen (8. 1923)

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immer ungern und sie sagten dann: „Eine Herrschaft ißt die andere ab". Ein, 
wenn auch nur mittelbarer, Herrschaftsdienst bestand dann auch im „Tavern- 
und Mühlzwang"; es besaßen nämlich die Dominien in verschiedenen Gemeinden 
oft ein Gasthaus oder auch eine Mühle, die „Hoftaverne und Hofmühle", 
welche sie lehenweise einem Untertanen gaben und zu dessen besserem Fortkommen 
sie auch sorgten durch das Gebot, daß ihre Untertanen nur in der „Hoftaverne" 
ihre Verträge abschließen und ihren Hochzeitsschmaus halten und ihr Getreide auch 
nur in der „Hofmühle" mahlen lassen durften. Wollte aber ein Untertan einmal 
von diesem Zwange sich frei halten, so mußte er den „Hofwirt" oder „Hofmüller" 
mit einer bestimmten Gabe entschädigen; das Volk sprach deswegen von „Muß- 
taverne«" und „Mußmühlen". 
Was schon im 6. Bändchen unserer „Beiträge" von den Schattenseiten des 
Zehents gesagt worden, das ganz gleiche gilt auch hinsichtlich des Dienstes; auch 
dieser bedeutete eine große Abhängigkeit des Bauern nicht bloß von seiner Herrschaft, 
sondern auch oft von deren Dienerschaft, deren Gunst durch allerlei „Verehrungen" 
erworben werden wollte. Wie die Vorschreibungen des Zehents, so enthielten auch 
die der Dienste allerlei Unklarheiten, wodurch aber der Willkür des Fordernden und 
der Entziehungslust des Verpflichteten alle Tore geöffnet waren; daher gab es denn 
auch hinsichtlich der Dienste viel Mißhelligkeiten und Streitigkeiten zwischen den Herr- 
schaften und den Bauern. Erstere beklagten sich oft, daß es die Bauern darauf absehen, 
die Herrschaft „anzuschmieren", daß sie das Getreide sehr hoch schneiden, wodurch 
die Herrschaft so wenig „Geströb" aus dem Feldzehent erhalte, daß die zur Arbeit 
gesendeten Feldzehent derart seien, daß sie kaum das ihnen gereichte Brot und Bier 
verdienen, daß die Bäuerinnen aus ihren Hahnen gerade die magersten als „Dienst" 
abliefern usw. Die Bauern dagegen beschwerten sich über Ungenügsamkeit der Herr- 
schaft, der Zehent sei nie recht; bringe man den Körnerzehent, so erkläre ihn der 
„g'streng Herr" (Pfleger) als zu wenig rein, lasse ihn auf die Putzmühle schütten, 
die dann seine Knechte ungeheuer schnell treiben, so daß viel unter die Mühle falle 
und ebenso viel müsse man dann in schönen Körnern nachliefern; die Herrschaft lasse 
immer Fronarbeit ansagen, gerade wann man selbst am meisten Arbeit hätte, die 
„gnä Frau" (Pflegersgattin) habe auch, wenn die Bäuerinnen den „Kuchldienst" 
bringen, an demselben immer etwas auszusetzen, man müsse mit seinem schwachen 
„Zaug" (Zugvieh) und bei den schlechtesten Wegen viele Stunden weit für die Herr- 
schaften fahren usw. Für letztere Klage ist übrigens noch ein bestimmtes Beispiel 
bekannt: Von den zwei „Herrenwiesen" in Niederkappel.mußten die Bauern das 
Heu zu der bei vier Stunden entfernten Herrschaft (Berg bei Rohrbach) fahren; 
bei der so bergigen Gegend konnte man immer nur eine kleine Fuhr aufladen und 
von dieser mußte man den erschöpften Zugochsen auch noch immer Heu vorlegen, 
so oft man ihnen Rast gönnte, so daß, wenn man bei der Herrschaft ankam, die 
Ladung auf eine lächerliche Kleinigkeit zusammengeschmolzen war. Das Dominium 
sah endlich die Erfolglosigkeit solchen Betriebes ein und verkaufte die Herrenwiesen 
zuerst „probeweise" und dann endgültig. 
Zur richtigen Beurteilung des Zehent- und Dienstwesens ist auch festzuhalten, 
daß Wohltaten weit schneller vergessen werden als Uebeltaten; so weiß z. B. das 
Volk immer noch, daß einst öin Schloßherr auf Lichtenau seinem Pfleger gesagt 
haben soll: „Zieht nur den Bauern die Haut ab, ihnen wächst ohnedies alle Jahre 
wieder eine neue". Vergessen ist aber ganz der verdienstvolle Hauptlehenverwalter des 
Hochstistes Passau, Wolf Dietrich von Rödern und seine gleich edle Gemahlin Genoveva; 
diese Herrschaft hat bekanntlich auch im Jahre 1635 das „Maria Trost-Kirchlein"
	        
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