Volltext: Siebentes Bändchen (7. 1921)

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In seinem 16. Jahre begab er sich von seinen Eltern weg, zog mit Schreib- 
Kalender und „Viecher" ein Jahr lang hausierend herum, ließ sich sodann zu Prag 
unter den Oberst Winterfeldt „unterhalten", mit welchen er in das „wellisch Lanndt" 
marschierte und zwei Jahre lang darin verblieb. 
Nach Verlauf dieser Zeit — es scheint, daß er von der Truppe desertierte — 
zog er mit einem Paß, welchen er von einer französischen Behörde erhalten haben 
will, durch die Schweiz nach Frankfurt und von da wieder nach Oesterreich und 
hatte aus „wellisch Lanndt" sechs Burgundische Reichstaler und zwei „pistolets" 
— goldene Fünftalerstücke — herausgebracht, mit welchem Gelde er wieder einen 
Handel mit Kalender und „pendl" anfing, von einem Ort zum andern herumzog, 
besonders Jahrmärkte besuchte und auch da an den Spieltischen mitspielte. 
Aus den Aussagen ging hervor, daß er schon durch längere Zeit der Genosse 
und Gehilfe von Dieben und Räubern war und daß besonders die Jahrmärkte in 
größeren Orten und Städten die Zusammenkunft und das Stelldichein einer weit- 
verzweigten Gaunerbande gewesen. 
So bot, nach Aussage Kirchpichlers, der Jahrmarkt1) der Stadt Retz in Nieder- 
österreich im vergangenen Jahr — also 1659 — Gelegenheit, die Beraubung des 
Pluember Bauern zu Sankt Thomas bei Grein und jene des Grafen Tattenbach 
zu Freizell in Oberösterreich unter einigen der auf dem Jahrmarkt anwesenden 
Raubgenossen zu verabreden. Es habe nämlich Michl Egger, welcher früher bei 
dem Grafen Tattenbach2) bedienstet gewesen und denselben nach seiner Entlassung 
aus dem gräflichen Hause mit noch zwei anderen Diebsgesellen berauben wollte, 
aber abgetrieben wurde, den Vorschlag gemacht, den Grafen erneuert anzugreifen 
und zu berauben. 
Um aber in genügender Anzahl Köpfe die verabredeten zwei Raube ausführen 
zu können, wurde Kirchpichler und Hanns Püringer zu Abraham Prukher nach 
Schönberg bei Langenlois geschickt, um anzudeuten, daß sie über den genannten 
Bauern und dann über den Grafen wollten. Prukher war dessen gleich willig und 
begaben sich beide sofort auf den Weg nach Grein. 
Daselbst waren bereits in einem Wäldchen zwischen Sankt Thomas und Grein Michl 
Egger, Hanns Püringer, Andrä Tranpauer Melchior Holzapfel und der kleine Bärtl an- 
wesend und bildeten nun mit Prunkher und Kirchpichler eine Bande von sieben Individuen. 
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1). Welcher Jahrmarkt, ist nicht gesagt. Die Stadt Retz hat im Jahr 5 Märkte, nämlich: 
1. Dienstag nach Neujahr, 2.Josefi, 3. Philipp und Jakob, 4. Laurenz, 5. Dienstag nach 
Rosenkranzfest. Es bleibt demnach bei Abgang aller sonstigen Daten unbestimmt, um welche Zeit 
die Beraubung und Ermordung des Grafen Tattenbach, Herr zu Freizell, im Jahre 1659 geschah. 
2) Wie der Graf mit dem Taufnamen hieß, ist nirgends bemerkt und konnte auch infolge 
gepflogener Nachforschungen an geeigneten Orten nichts hierüber Bezügliches in Erfahrung 
gebracht werden. 
Hoheneck, Genealogie II. 618—624 behandelt die vom Grafen Gotthart Tattenbach in 
Oesterreich ob der Enns seit dem Jahre 1619 — als das Immatrikulierungs-Jahr — ge- 
gründete Linie. In der ganzen Stammtafel kommt kein Herr von Freizell und kein Graf 
Georg Siegmund vor. 
Dagegen erscheint ebendaselbst 1139-148 bei den Herren von Gera ein Georg Siegmund 
Graf Tattenbach zu Freienzell, welcher Maria Anna Franziska, Tochter des Erasmus von 
Gera zur Gemahlin hatte und deren Hochzeit am 12. März 1653 im Schlosse Eschlberg bei 
Ottensheim stattfand. Die aus dieser Ehe entsprossene Tochter Anna Franziska Konstantia 
war nach Höh. Gen. II. 625—628 Stammtafel der Grafen Thurn und Taxis mit dem Grafen 
Franz Nikolaus von Thurn und Taxis vermählt. Es dürfte demnach wohl mit Sicherheit anzu- 
nehmen sein, daß der Graf Siegmund der bayerischen oder steiermärkischen Linie angehörte, als 
Herr von Freizell in Oberösterreich begütert gewesen und mit dem beraubten und ermordeten Grafen 
Tattenbach identisch sei. Auch der Zeitabschnitt von 1653 bis 1659 ist dieser Annahme günstig.
	        
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