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Ein Raubmord zu Freizell, Pfarre Hofkirchen i. M.,
im Jahre 1659.
(Aus dem Pfarrarchiv in Hofkirchen. Von Hochw. Herrn Adolf G ah l e it n er. Gastmeister
in Schlägl, Schlägl, zur Verfügung gestellt.)
Wohl noch keiner der Reisenden, der die herrliche Talfahrt der Donau von
Passau nach Linz unternommen und den die prächtigen in ihrer Abwechslung so
verschiedenartigen Natur schönheiten und reichen Szenerien dieser Strecke entzückten,
wird Kunde haben, daß das trauliche, am linken Ufer des mächtigen Stromes schräg
unterhalb der uralten und schicksalsreichen Bergfeste Marsbach in lieblicher Heim-
lichkeit liegende Dörfchen Freizell — auch Marspachzell genannt — einst der Schau¬
platz eines empörenden Raubmordes gewesen.
Nirgends in vaterländischen Schriften wird hievon Erwähnung getan und
nur im Gedächtnis der Bewohner der kleinen Ortschaft und in nächster Umgebung
erbt sich die mündliche Tradition dieses Vorfalles — mitunter bis in die kleinsten
Details — fort vom Vater auf den Sohn bis in die heutigen Tage.
Hinter den freundlichen, nicht ferne vom Ufer gelegenen, zum Teil unter Obst-
bäumen hie und da wie neugierig hervorblickenden Häusern liegen am Fuße der
mit Laub- und Nadelholz bewaldeten steilen Bergwand die Ruinen des ehemaligen
Herrenhauses, jener Ort, welcher im Jahre 1659 der Schauplatz des Raubmordes
gewesen. Die massiven Gemäuer lassen noch deutlich die Wohn- und Wirtschafts-
gebäude unterscheiden und erkennen und lag dieser Edelsitz — so wie noch jetzt —
getrennt durch einen Wiesengrund ein Paar hundert Schritte vom Dorfe entfernt.
Der Herr Gastmeister in Schlägl kann sich an diese Gemäuer aus seiner Jugendzeit
noch recht gut erinnern.
Ein im Originale vorliegender vollständiger Gerichtsakt bietet die Gelegenheit,
den Gegenstand wahrheitsgetreu darzustellen, so wie auch Verfasser dieses wiederholt
in der Lage war, auf Ausflügen in das obere — wie es scheint in seinen eigen-
tümlichen Naturschönheiten viel zu wenig gewürdigten — Mühlviertel den Ort der
Tat zu besichtigen und Mitteilungen über den geschehenen Raubmord aus dem
Munde der Bewohner von Freizell — in merkwürdiger Weise in Einzelnheiten
übereinstimmend mit den gemachten Aussagen eines der am Mord Beteiligten —
zu vernehmen.
Mit möglichster Beseitigung der damaligen Schreibweise jedoch ohne hiedurch
den Sachverhalt im geringsten zu schädigen, wird dieser Rechtsfall somit der Oeffent-
lichkeit übergeben.
Am 10. July 1660 wurde zu Weinzierl bei Krems in Niederösterreich ein
Individuum wegen Verdacht an Raub und Mord verhaftet und dem Stadtgericht
beider Städte Krems und Stein eingeliefert.
Das erste gerichtliche Verhör wurde mit dem Inhaftierten am 4. darauf-
folgenden Monats durch den Stadtrichter beider Städte Johann Christof Altschmidt
von Hirnhaimb vorgenommen und ergab die „Güettige" Aussage in Folge von
29 gestellten Fragen folgendes Resultat.
Inquisit gab an: Er heiße Veit Kirchpichler, sei gebürtig aus Obergrub bei
Göllersdorf in Niederösterreich, bei 24 Jahre alt, katholisch, schweiffender — herum¬
ziehender — Krämer und lebe mit einer Zuhälterin, Witwe eines Fleischhauers
namens Georg Leuthenbauer, wisse aber nicht, wo sie sich gegenwärtig befindet. Sein
Vater heiße Amandus Kirchpichler, sei ein armer „erkhrumter" Mann, welcher dem
Almosen nachzieht; seine Mutter habe Gertraut geheißen und sei vorlängst gestorben.