— 78 —
dürfen keinenfalls zu Tische kommen, am allerwenigsten, wenn der Besuch etwas
ißt und trinkt. Streng wird es ihnen verwiesen, den Besuch zu fixieren oder beim
Essen zuzusehen und wenn sie im fremden Hause oder zuhause in Gegenwart von
Fremden auf der Stubenbank sitzen, wäre es höchst unanständig, mit den Füßen
zu „schlenkern". Schickt man sie in andere Häuser, so müssen sie immer die wichtige
Ermahnung mit sich nehmen, genau alle diese Anstandsregeln zu beobachten, und
für den Besuch von Herrenhäusern aber ihre (der Herrenleute) Regeln zu be-
obachten, also den Hut abzunehmen, anzuklopfen und sie nicht zu dutzen, sondern
mit „Sie" anzureden und mehr nach der Schrift zu reden. Das ist freilich eine
Sache, die oft übel genug ausfällt, auch bei Erwachsenen. Darum hat man immer
bei Herrenbesuchen eine gewisse Sorge und eine gewisse Furcht.
Gegen ihre Kinder
haben die Bauernleute eine bewundernswerte Liebe, Sorge und Aufmerksamkeit.
O, wäre es jetzt auch noch in allen Häusern so gut bestellt um zielmäßige, ein-
fache und gute Erziehung, bei der man nicht unschwer den Einfluß der Seelsorgs-
priester bemerkte. Hinter dem Kruzifix beim Tisch steckte das Warnungsmittel die
„Gart" ; wenn nur die Eltern einen Blick dahin taten, wußte das Kind, was es
bedeute. Beim Tischgebet stehen die Kinder in der Reihe des Alters vor den Knieen
des Vaters. Da heißt es die Hände schön zu falten, schön beten und das Kreuz
sinnig machen. Bei Tisch sitzen sie zwischen Vater und Mutter. Jedem Besuch
müssen sie die Hand reichen. Um alles und für alles müssen sie bitten und danken
und es artig aus der Elternhand annehmen. Wollten sie Brot verderben, käme
die „Gart" über sie. Gezänke wird nicht geduldet. Sauber muß die Kleidung sein,
wenn auch einfach und ärmlich. Dem heimkehrenden Vater müssen sie den Stock,
den Schirm abnehmen und den Stiefelzieher bringen und es entsteht oft ein Wett-
streit, wer von ihnen es tun darf. Abends heißt es laut mitsammen beten und bald zu
Bette gehen, nachdem sie Vater und Mutter die Hand gereicht — Leider, leider ver¬
flacht jetzt in manchen Häusern diese Zucht und Ordnung und diese Verflachung gibt sich
auch in der Oeffentlichkeit kund. Kein Wunder also, wenn neuestens die Seelsorgspriester
durch geistliche Vereine alte, bewährte Sitten einzuführen und zu festigen trachten.
Die Dienstboten
werden in unseren Bauernhäusern heute noch gehalten wie die Kinder. Getrennten
Tisch gibt es nicht; alle Hausgenossen nehmen an derselben Mahlzeit Anteil. Wenn
in meiner Jugend, den schon anfangs genannten Sechzigerjahren des vorigen Jahr-
hunderts, sich die Dienstboten auch wie die Kinder betrugen, so ist das jetzt eine ge-
wesene schöne Zeit, da die gegenwärtige Zügellosigkeit das schöne Verhältnis nicht
ganz, aber doch zum Teile vernichtet hat. — Wie wird das jetzt nach dem Weltkrieg
werden? Ohne ein Prophet zu sein, wird man voraussagen können, daß all das
schöne Herkömmliche nach und nach ganz verflachen und verschwinden wird oder
auch verdorben durch Beimischung fremder Sitten und Gebräuche.
* *
*