Volltext: Siebentes Bändchen (7. 1921)

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„Ja, das glaub i, mußt das holt nehma." Man behält bei solchen Besuchen kegel- 
fest den Hut auf, nur wenn man eingeladen wird, beim Tisch Platz zu nehmen 
und da nicht immer, legt man den Hut ab, denn das Hutabnehmen ist dem Bauer 
ein Greuel und er vergißt es manchmal in der „Herrenstube" ; dafür setzt er sich sofort 
auch da nieder, wenn er nicht eine Rüge fürchtet. Den Besuch beendet er recht 
langsam und behäbig indem er spricht: „No, no, so b'hüet enk Gott und seid's 
net gar z'fleißig" oder „arbeit's güatla" (d. h. langsam und ohne zu große Mühe) 
oder „seid's net gar z'fleißig" oder „machts halt doch bald Feierabend". Die Ant- 
wort hat zu lauten: „Ja, ja, wird eh a so werd'n", „suach uns bald mehr hoam" 
oder köm a andersmal wieder." — „No, won i uns hau." 
Recht bekannte Besuche kommen indeß nicht so bald weiter, dauern einen halben 
Tag, auch einen ganzen, müssen zu Mittag mitessen, wenigstens wird ihnen ein 
„Oar in Schmalz" aufgetischt mit einem halben Meter langen, weißen Brotschnitten. 
Auch „gehört es sich", solchen Besuchern zu zeigen, wie viel man sich schon erwirt- 
schaftet hat und führt den Besucher in die „hohe Stube", öffnet alle Leinwand- 
und Flachstruhen, Gläserkastl, Getreideboden, zeigt den großen Brotkar ec. ec. und 
vorm Türl des Hofes, auf der Gred gibt es noch eine Viertelstunde Rede und 
Gegenrede und dann ist der Besuch überstanden, nachdem man einem noch nach- 
gerufen: „Jessas, a Stückl Brot muaßt da mituehma" und hätte man's vergessen, 
so wird noch ein großer „Scherz" (Stückl) Brot dem Besucher in die Tasche gezwungen 
mit der schließlichen Schlußbemerkung: „Laß denen dahuit, a uins kosten." Alles spricht 
von Freundlichkeit, Herzensgüte, Aufrichtigkeit und Ehrbarkeit. Letzteres Wort hat aber 
beim Bauer den Begriff von Wohlanständigkeit und bescheidener Diensthöffichkeit. 
 
Beim Essen, 
zu dem man geladen wird oder wenn einem außer der Mahlzeit etwas zu essen 
oder trinken vorgestellt wird, muß man ängstlich acht haben, alle guten Formen zu 
halten, sonst gilt man als grob und unanständig. Man muß sich, bevor man zu 
Messer und Gabel greift, lange „sprechen" (d. h. nicht zugreifen), sich nötigen 
lassen; erst auf wiederholte Aufforderung greift man zu, aber langsam und mit der 
Versicherung, daß man ohnehin keinen Hunger oder keinen Durst habe. Man darf 
nicht schnell essen, nicht über Schüssel und Teller gebeugt, sondern aufrecht sitzend, 
Gabel und Messer darf man nicht zu nahe beim Eisenteil anfassen, die Gabelzurken 
mit der konkaven Seite nach oben wenden. Als höchst ungeziemend gilt es beim 
Suppenessen, hörbar zu schlürfen und beim sonstigen Essen mit Lippen oder Zunge 
zu schnalzen, was man „boaschen" nennt. Schließlich muß man auf dem Teller, 
im Trinkglas, in der Schale etwas weniges stehen lassen und auf den 
gelinden Vorwurf, daß man nicht alles genommen hat, versichern, man sei ja nicht 
imstande, mehr zu genießen, dagegen könnte man ohne Beleidigung nichts zurück- 
weisen, was einem mitgegeben wird, wenn auch alle Taschen voll sind. Täte man 
es nicht, so bekäme man die vorwurfsvollen Worte zu hören: „Nu gelt, ihr habt 
halt etwas besseres zuhause" oder „dir wird halt grausen (ekeln) daran" oder 
„tust mir'S denn verschmachen". Man ist aber auch erfreut darüber und fühlt sich 
geehrt, wenn der Besuch etwas Seltsames zu essen, „zu kosten" mitbringt, z. B. 
ein Stück Brot schon vom heurigen Mehl oder ein Stück frisches Fleisch von der 
kürzlich geschlachteten „Sau". 
 
Den Kindern 
werden die Anstandsregeln fleißig eingeschärft und besonders beim Essen werden 
Verstöße streng geahndet. Sind Besuche da, sollen die Kinder äußerst ruhig sein,
	        
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