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hätte. Das Fürwort der Kaiserin erwirkte nun, daß der Kaiser dem Kloster oder
der Abtei Niedernburg unter anderen Begünstigungen auch die Waldgegend zwischen
der Ilz (bei Passau) und der Rottel (bei Ottensheim) zuwies; von der genannten Abtei
ging dieses Gebiet an das Hochstift, d. h. die Bischöfe von Passau, über, welche, da
schon viele Siedler gekommen, wieder verschiedene Landstriche an einzelne Edelleute
zu Lehen gaben, die sich zu ihren Wohnsitzen Schlösser erbauten. So entstanden
die Herrschaften Marsbach, Haichenbach, Tanberg, Sprinzenstein, Berg bei Rohrbach
und so weiter. Durch diese Herrschaften kam Ordnung in die neuen Siedlungen
welche fortwährend in unserer Gegend durch Zuwanderung bayerischer Verwandtschafts-
familien (Sippen) unter Führung der Verwandtschaftsoberhäupter erfolgten.
Besehen wir uns nun die Gründung eines neuen Dorfes an einem Beispiele.
Ein gewisser Lambert kam um das Jahr 1200 mit seiner Verwandtschaft, in der
sich weitere vier selbständige Familien befanden, aus dem übervölkerten Bayernlande
ins obere Mühlviertel, das für neue Bewohner noch übergenug Raum hatte. Lambert
erhielt von der Herrschaft, in deren Lehensgebiet er siedeln wollte, beiläufig den Platz
der neuen Niederlassung und die zu benützende Bodenfläche angewiesen. Lambert,
dessen Vorfahren ja schon seit wenigstens 500 Jahren christlich waren, begann in
Gottes Namen die Arbeit mit den nötigen Rodungen. Da seine Verwandtschaft aus
fünf Familien bestand, so ordnete er die Erbauung von fünf neben einander stehenden
Häusern an. Das war jetzt ein Dorf, man nannte es Lamberts-Dorf, jetzt Lampersdorf.
Die ersten Häuser waren äußerst einfach, indem ein jedes nur aus einem einzigen
überdachten Raum bestand, in welchem die Familie wohnte und in dessen Hintergrunde
auch das wenige Weidevieh Platz gefunden hatte. Dieser erste Anfang dauerte
natürlich nicht lange, indem sich bald das Bedürfnis herausstellte, an diesem „Hause",
d. h. an diesem einzigen Raum Anbauten zu machen, Schlaf- und Vorratskammern
für die Familie, aber auch Stall- und Futterstadel für die Tiere. Alle diese Zubauten
waren vom „Hause" aus zugänglich und obwohl der letztgenannte älteste Raum
jetzt eigentlich nur mehr ein Gang war, so blieb ihm doch der Name „Haus" und
das bis zum heutigen Tag, höchstens daß die Bezeichnung „Vorhaus" dafür entstanden
ist. Die dem Lambertsdorfe zugewiesene Grundfläche war gemeinsames Eigentum
der fünf Dorffamilien, sie holten sich das notwendige Holz aus dem „Gemein"-Walde
und trieben ihr Vieh auf die gemeinschaftliche Dorfweide. Zum Zwecke geregelter
Grundbebauung mußte aber vom Dorfoberhaupte den einzelnen Familien durch das
Los ein Teil des gemeinsamen Ackerfeldes zugewiesen werden; das war der Anfang
zu dem großen Werke der Dorfgründeverlosung, das unsere Vorfahren unter Leitung
der Herrschaften geschaffen und das im allgemeinen noch heute Bestand hat nach
mehr als 700 Jahren.
Bei dieser Grundverteilung sollte jede Familie gleichviel Grundbesitz aber auch
gleichwertigen Grund erhalten; ersteres wäre leicht gewesen, keineswegs aber letzteres
da die Grundlage schon überhaupt ungleicher Güte ist und im Mühlviertel überdies
bei der so großen Unebenheit des Bodens der Unterschied zwischen den sonnigen
Gründen und denen auf der Schattenseite sehr zur Geltung kommt. Bei diesen
Verhältnissen konnte den einzelnen Familien gleich großer und gleich guter Grund
nur dadurch zugewiesen werden, daß man bei den Feldern und Wiesen die ver¬
schiedenen Grundgattungen — die besseren, mittleren, schlechteren — in Streifen
zerlegte und jeder Familie die gleiche Anzahl solcher Streifen aus jeder Grundgattung
zuteilte. Welche Streifen aus den einzelnen Grundlagen den einzelnen Familien zukommen
sollten, darüber entschied das Los, daher man die zugefallenen Grundstreifen Luß
nannte oder auch Gewanne, weil man sie eben bei der Verlosung gewonnen hatte.