Volltext: Viertes Bändchen (4. 1914)

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Zeitung", in welcher die Getreidepreise aus fünf bayerischen Orten angegeben sind; 
der dem Mühlviertel am nächsten gelegene Ort ist Neuötting; dort kostete je ein 
Schäffel: Waizen 43 fl. 30 kr.; Korn 38 fl. 36 kr.; Gerste 23 fl. 17 kr.; und 
Hafer 10 fl. 25 kr. In Bayern und auch in verschiedenen Gegenden Oesterreichs 
wurden früher vier Metzen ein Schaffel genannt und somit kostete nach obigen Zahlen 
der Metzen Waizen 10 fl. 52 kr. und Korn 9 fl. 39 kr. (der Gulden hatte 
damals 60 Kreuzer). Im Mühlviertel wird der Preis des Waizens während der 
Hungerjahre mit 16 fl. der Metzen und des Kornes mit 12 fl. angegeben, wobei 
jedoch zu bedenken ist, daß der österreichische (im Volksmund der „kaiserliche") 
Metzen ungefähr um ein Achtel größer war, als der bayerische. Die obigen Preise 
verstehen sich in Münze, in „Scheingeld" wären 16 fl. = 40 fl. und 12 fl. = 30 fl. 
Zur Erinnerung an die Hungerjahre wurde auch eine messingerne „Hunger¬ 
münze" geprägt. Auf der einen Seite derselben sieht man eine Mutter, umgeben 
von ihren Kindern, welche flehend die Hände erheben und ihre Bitte liest man 
in der Umschrift: „O, gieb mir Brot, mich hungert". Auf der anderen Seite 
der Gedenkmünze ist eine Wage angebracht mit zwei Preisangaben, nämlich 1 Pfund 
und 3 Loth Brot = 12 kr. (nach jetzigem Gelde r 40 Heller); eine Maß 
Bier = 8l/2 kr. (ungefähr das dreifache des Bierpreises vor der Teuerung). Die 
gleiche Seite der Münze trägt auch die Jahreszahlen der Not: 1816, 1817, über 
diesen aber eine Korngarbe mit einem Anker und was letzterer bedeuten soll, das 
sagt uns die Umschrift: „Verzagt nicht, Gott lebt noch". 
Da Hafer doch damals noch weitaus die billigste Getreidegattung war, so 
aß man — ganz wenige Häuser ausgenommen — allgemein Haferbrot und alles 
ging im Sommer „in die Beer", suchte also im Walde Heidelbeeren. Es wird gar 
manches erzählt, daß in der Not ganze Grundstücke um nur ein Mittagessen vertauscht 
worden seien; doch klingt das in der Regel sehr unwahrscheinlich und ist zu wissen, 
daß das Volk durch eigentümlich lautende Flurnamen sich leicht zu solchen Ansichten 
verleiten läßt, sollte wirklich Tausch mit Grund und Kost vorgekommen sein, so müßte 
das zum mindesten weit früher geschehen sein. In Hochschlag (Gemeinde Sarleinsbach) 
wurde, wie oft erzählt wird, ein verhungerter Mann aufgefunden mit einem Gras- 
büschel im Munde, an dem er offenbar noch gekaut hatte. 
Die Not des Mitmenschen in ungerechter Weise ausnützen, also Wucher 
treiben, war auch damals einzelnen Persönlichkeiten nicht fremd; so soll, wie man 
hört, ein Bauer in der Nähe von Schölling sein vieles vorrätiges Getreide immer 
noch zurückgehalten haben, bis der Preis noch höher steige; doch durch eine große 
Getreidezufuhr, welche unerwartet aus Ungarn angekommen, fiel der Preis über 
Nacht fast auf die Hälfte herab, worauf der erwähnte Wucherer zum Stricke griff 
und sich über seinem Getreidehaufen aufhing. Wieviel soll davon sicher sein? Bemerkt 
sei nur, daß Aehnliches in verschiedenen Gegenden erzählt wird. 
Auch ein „Hungerlied" ist im Mühlviertel entstanden und auf uns gekommen, 
welches lautet: 
Bitt' dich, Mutter, Hunger hab' ich; 
Warte, warte, liebes Kind, bis das Korn gemahlen ist; 
Und als das Korn gemahlen war, 
War das Kind schon wieder da: 
Bitt' dich, Mutter, Hunger hab' ich; 
Warte, warte, liebes Kind, bis das Brot gebacken ist; 
Und als das Brot gebacken war, 
War das Kind schon wieder da:
	        
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