Volltext: Zweites Bändchen. (2. 1913)

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Waldungen des Mühlviertels; diesen Boden hat wohl keines Christen Fuß zu 
Römerszeiten betreten, um auch in diese Wildnis die frohe Botschaft zu bringen: 
Euch ist auch der Erlöser geboren zu Bethlehem. Die Wälder grüßten gar zu ernst 
und düster herüber auf die Römerfestungen Lentia (Linz), Joviacum (Schlögen) und 
Castra Batava (Passau), so daß man schließen mußte: es ist nur spärlich oder gar nicht 
bewohntes Gebiet. 
Als die germanische Volkskraft in den Stürmen der Völkerwanderung das 
Römerreich zertrümmerte und immer neue Scharen durch Ufernorikum, also Ober¬ 
und Niederösterreich, zogen und Furcht und Schrecken allerorten verbreiteten, leuchtete 
in diesen Gegenden als Trostbild das Wirken eines Mannes, der von Gott gesandt 
war, des heiligen Severin. Wohl berichtet keine schriftliche Urkunde, daß auch das 
Mühlviertel teilnahm an den Segnungen, die das Auftreten dieses heiligen Mannes 
begleiteten, daß er auch hier das wahre Licht, die christliche Lehre verbreitet hat; 
aber sein Seeleneifer trieb ihn, das dürfen wir ruhig annehmen, das eine oder 
anderemal auch aufs jenseitige Donauufer, das von der Völkerwanderung doch wahr¬ 
scheinlich auch nicht ganz unberührt blieb, wie phil. Stroh nachgewiesen hat. 
Uebrigens erblickte er seine Aufgabe nicht in der Bekehrung der Heiden, vielmehr 
brachte er religiöse Belehrung und Ermunterung den Christen in den römischen Städten 
Norikums, die unter der Not der Zeit schwer litten. Daß er gelegentlich auch ins 
Mühlviertel, wenigstens ans Donauufer kam, ist nicht ausgeschlossen. Der Orts¬ 
name Sifferein am linken Donauufer in der Pfarre Kirchberg wird mit Severin 
in Verbindung gebracht. 
So schnell und so weit auch die Hunnenrosse ihre raubgierigen Reiter trugen, 
ein dauernder Erfolg war diesen wilden asiatischen Horden nicht beschieden. Als 
Gottesgeißel waren sie eine Plage der untergehenden entsittlichten Welt. Als ihre 
Macht gebrochen war, atmeten die Slawen, welche nur gezwungen den Eroberern 
folgten, erleichtert auf und suchten sich Wohnplätze in den verlassenen und ver¬ 
ödeten Gebieten der jetzigen südlichen Hälfte der Habsburger Monarchie. Ein anderer 
Teil setzte sich im Norden bis zur Elbe fest. Hier im ehemaligen Boierlande, wo 
die starken Markomannen und Quaden den Römern unter Mark Aurel, um die 
Mitte des zweiten Jahrhunderts, schwere Sorgen und Kämpfe bereitet hatten, war 
das Land den vorwärtsdrängenden Slawen offen, denn die Männer aus dem Boier¬ 
lande waren über das Fichtelgebirge im heutigen Bayern eingebrochen; der Stamm 
der Bajuvaren. Die Südslawen, sehr volkreiche Stämme, fanden mit den besiedelten 
Alpentälern ihr Auskommen nicht und so zogen sie in größeren und kleineren 
Scharen nach Ober- und Niederösterreich. Sie sahen in der Donau nicht das un¬ 
überwindliche Hindernis, das die Römer abgehalten hatte, ins unwirtliche Wald¬ 
land des Mühlviertels einzudringen. Sie suchten Land und das gedachten sie auch 
im Nordwald zu finden oder doch zu schaffen. So gelangten sie im unteren Mühl¬ 
viertel bis Freistadt und bauten sich ihre Wohnstätten in den Tälern der Naarn 
und der Aistflüsse. Im oberen Mühlviertel rückten sie im Tale der großen Mühl 
allmählich vor, gewannen die Höhe von St. Peter am Windberg (Wendenberg). 
Auch Dobring bei St. Stephan am Walde ist ursprünglich slawischer Besitz. In den 
alten Urkunden führt es den Namen Tobrizze. Das Edelreis des Christentums 
war bei diesen Siedlern noch unbekannt, das brachten erst die bayrischen Ansiedler. 
Die Bekehrung der Nordslawen ging bekanntlich von den beiden Mönchen Cyrillus 
und Methodius aus, die erst am Ausgang des 8. Jahrhunderts im großmährischen 
Reiche wirkten. Die von den Hunnen unterjochten Südslawen hatten in den Ebenen 
Ungarns im Gefolge der Hunnen keinen Apostel gefunden, der sie mit der Erlösungslehre
	        
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