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Geschichten aus dem oberen Mühlviertel.
(von Alois Oeller in Peilstein.)
Es gibt so manche verwöhnte Stadtleute, die die Bauernleute in ihren ver¬
lorenen Bergwinkeln bedauern oder gar geringschätzen; in ihren Augen leben diese
nur in großer Kümmerlichkeit. Und doch haben die Menschen, die mitten im stolzen,
lust- und genußbietenden Kreise der Großstadt leben, mehr unerfüllte Wünsche im
Busen als die auf dem Lande. Denn die Seelenkämpfe und Zweifel, die das
neuzeitliche Geistesleben in die Herzen geschleudert hat, kennt der Dörfler und der
Wäldler nicht, in seinem Herzen lebt noch der alte Glaube. Wie oft hat meine Mutter
mir erzählt und geklagt, daß die Welt jetzt so lau werde, well die falsche Auf¬
klärung so große Fortschritte mache, selbst auf dem Lande. „Wie viel glücklicher ,
sagte sie, waren früher die Leute, da man eine Zeitung nur vom Hörensagen
kannte, da man noch jeder Neuerung ängstlich auswich und mit einer gewissen
Zähigkeit an den von den Eltern und Großeltern ererbten Traditionen festhielt."
Und wie gemütlich war es, wenn man zu erzählen begann!
An Winterabenden, wenn die Suppe gegessen war, kamen die Männer
zusammen und machten sichs um den eisernen Ofen in der Stube bequem. Er
wurde stets zu Winters Anfang aufgestellt, weil der große Kachelofen zu viel Holz
brauchte. Auf der Ofenbank ringsherum nahmen die Besucher und der Vater Platz.
Im Ofenwinkel war der Spanhalter — Oellicht kannte man damals noch nicht
an dem ein Span die Stube hell erleuchtete. Die Späne wurden jedes Jahr im Herbste
vom Spandreher gemacht, den man einen oder zwei Tage auf der Stör hatte.
Nachdem sich jeder seine Zwickelpfeife, wie. man sie nur mehr selten hie und da in
einem verborgenen Winkel findet, angestopft und angefeuert hatte, begann das Er-
zählen. Meistens wurde an ein Tagesereignis rätselhafter Natur, wie sich immer
von Zeit zu Zeit solche zutragen angeknüpft.
So ging einst mein Bruder in der Nacht von Wegscheid heim. Als er von
Kollerschlag gegen die Ortschaft Lengau auf einem Gangsteig dahinwanderte, sah er
plötzlich ein Lichtlein von einer Kapelle auf sich zukommen. Es kam ganz nahe
an ihn heran und begleitete ihn. Er lief nun, so schnell ihn seine Füße trugen,
um dem unheimlichen Lichte zu entfliehen. Allein es war vergebens, es drängte
sich immer um seine Füße. Da fiel ihm ein, daß zu Hause von diesen Erschei-
nungen gesprochen wurde, daß ein solches Licht eine arme Seele sei und durch ein
„Vergelts Gott" erlöst werden könne. So sagte er denn kleinlaut: „Vergelts Gott"
und sogleich war das Licht verschwunden.
Das erzählte mein Bruder nach der Suppe den Männern und sogleich wußte
einer etwas Aehnliches auch aus eigener Erfahrung zu erzählen. Einmal, auf einem
nächtlichen Gange, sei ihm ein Licht erschienen; er habe es Gott" wollen und
auch ein Licht angezündet. Sogleich aber sei ihm das erste Licht ins Gesichts ge¬
sprungen und habe ihn ganz erbärmlich zerkratzt. Ein anderer erzählte, daß er
als Knecht wiederholt solche Erlebnisse hatte. Einmal kam immer, wenn er in der
Scheune Futter schnitt, ein Lichtlein und leuchtete ihm. Als man ihn aufmerksam
machte, daß das Licht eine arme Seele sei und durch ein „Vergelts Gott" erlöst
werden könnte, bedankte er sich eines Abends für den Dienst mit einem »Vergelts
Gott!" Das Licht war verschwunden und kam nie wieder. Noch einem anderen
sei in früheren Jahren, als er noch Pferdeknecht war und des Nachts fahren
mußte, ein solches Licht erschienen und habe ihm geleuchtet. Auch er habe es, wie
er versicherte, durch ein „Vergelts Gott' erlöst.