Volltext: Erstes Bändchen. Beiträge zur Landes- und Volkskunde des oberen Mühlviertels. (1. 1912)

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sofort bei der Hand und legt ihm Brot vor. Der Bauer geht unterdessen mit dem 
Kruge in den Keller, um Most zu holen. Ist der Besucher ein Raucher, so holt 
ihm die Hausfrau sofort „Tabakfeuer"; in diesem Falle braucht er nichts zu essen, 
während es ihm, wenn er nicht raucht, sehr verübelt wird, wenn er vom vorgelegten 
Brote nichts genießt. Ueblich ist die alte Ausrede: „Ins Essen bin ich ja nicht 
gekommen." Ist es ein seltener Besuch, dem man besondere Ehre erweisen will, 
so kocht die Hausfrau eigens für den Gast. Man ladet diesen ein, die Wirtschafts- 
gebäude zu besichtigen. Hausherr und Hausfrau begleiten ihn. Zuerst geht man in 
den Stall, dann in die anderen Räume, auch in die „obere Stube , wo die 
Hausfrau ihre Schätze aufgespeichert hat. Nicht selten wird auch ein kleiner Rund- 
gang durch den Obstgarten und die Felder unternommen. Hiebei klagt man dem 
Gaste Freud und Leid und weiht ihn ins Familienleben ein. Nach dem Rundgange 
setzt man sich wieder in der Stube zusammen. Unterdessen ist der Nachmittag ver¬ 
strichen und die Sonne sinkt langsam am Horizont hinab. Jetzt empfiehlt sich der 
Gast. Aber es hat noch lange keine Eile; er erhält zur Antwort, er habe noch 
lange Zeit, es sei noch lange licht. Dieses Verfahren wiederholt sich einige Male. 
„Ist es wirklich schon Zeit", so sagt der Hausherr, „Wenn es schon so eilig ist, 
will ich dich nicht mehr länger aufhalten," oder „Wäre ohnehin noch nicht so 
eilig." Mit diesen Worten entläßt der Hausherr den Gast und begleitet ihn noch 
ein Stück Weges, wenigstens aber bis zur Haustüre. 
Ist einem auch ein Besuch lästig oder hätte man ihn schon gerne fort, der 
Bauer läßt es nicht im geringsten merken, ja, nötigt ihn, noch hierzu bleiben. Es 
entstehen da keine Kunstpausen im Gespräch, um dem Gast in vornehmerer Weise 
erkennen zu geben, er hätte sich zu entfernen; gleiche Herzlichkeit erfährt auch der 
unwillkommene Gast. 
Zu einem Besuche wird nur selten eine Person allein eingeladen, sondern 
gleich die ganze Familie. Kommt sie nicht, so müssen die zu Hause Gebliebenen ent¬ 
schuldigt werden, d. h. man erkundigt sich nach ihnen und fragt nach der Ursache 
ihres Ausbleibens. 
 
Speisekarte des Bauers. Die Speisekarte des Bauers ist sehr einfach. 
Morgens kommt die sogenannte „Mehlsuppe" auf den Tisch, abends Kraut und 
Erdäpfel und gesottene Milch. An Sonn- und Feiertagen wird ein besseres Früh¬ 
stück aufgestellt, meistens Kaffee. Mittags ist die erste Speise immer Kraut und 
Erdäpfel, die zweite ist nach den Wochentagen verschieden. Sonntag, Dienstag und 
Donnerstag gibt es Geselchtes mit Erdäpfeln und eigens dazu bereiteten Knödeln, 
an den anderen Wochentagen Mehlspeisen und zwar am Montag gewöhnlich Fleisch¬ 
knödel, Mittwoch Nudeln, Freitag „Maultaschen", Samstag Reis. Am Freitag 
und Samstag werden jedoch auch andere Mehlspeisen aufgestellt, manchmal 
auch an Mittwochen. An großen Feiertagen gibt es zweierlei Fleisch, auch ein 
reichlicheres Abendessen. Zur Erntezeit ist auch an einigen Tagen das Mittagessen 
und das Abendessen reichlicher. Natürlich dürfen bei einem besseren Mahl die 
Krapfen nicht fehlen; auch das „Schmalzkoch" ist bei eim Gelegenheiten un- 
ausbleiblich. Am Sonnenwendtag erhält jeder Hausbewohner eine Schüssel voll 
Krapfen und einen großen, weißen Laib Brot. Faschingkrapfen kennt man in 
unserer Gegend nicht.
	        
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