Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

dem unvermeidlichen Gegensatz zwischen Hohenzollem 
und Habsburg erst zur lebendigen Erfahrung gemacht. Im 
Grunde genommen blieb Franz Joseph hierbei auch noch 
immer in dem Gedankenkreise seiner Ahnen des 18. Jahr¬ 
hunderts befangen. Er sah nur die dynastische Seite des 
deutschen Problems, die einander widersprechenden Inter¬ 
essen der beiden Fürstenhäuser: das Einigkeitsbestreben 
der deutschen Nation als Masse erschien ihm ebenso wie 
dem preußischen König nur als Revolution und deshalb 
gefährlich. Daß das Haus Hohenzollern doch nur aus blo¬ 
ßem Machthunger sich nicht scheute, die nationale Volks¬ 
bewegung zu benutzen, um endlich an die Spitze Deutsch¬ 
lands und zur Verdrängung Habsburgs zu gelangen, lernte 
Franz Joseph von Schwarzenberg als die größte Sünde der 
Regierung seines doch so konservativen, allerdings auch 
konfusen Oheims - beurteilen. Es war daher nicht nur im 
Interesse Österreichs und sein Recht, diese Machtpolitik zu 
Fall zu bringen, sondern es war Franz Josephs Pflicht, als 
Vorkämpfer gegen die Revolution das alte Recht, auf 
welchem der Deutsche Bund beruhte, gegen Preußen zu 
schützen. 
Für Franz Joseph war jedoch die Stellung, in die ihn 
Schwarzenbergs Kampf gegen Preußen brachte, besonders 
schwierig. Denn zwischen ihm und dem preußischen König, 
dessen Gemahlin die Lieblingsschwester seiner Mutter 
war, bestand ein Pietätsverhältnis besonderer Art. König 
Friedrich Wilhelm IV. zeigte dem jungen Kaiser gegen¬ 
über vom ersten Tage an nicht nur die herzlichste Sym¬ 
pathie des nahen Verwandten, sondern vor allem auch die 
seltsame Deferenz, die Friedrich Wilhelm für den habs- 
burgischen Kaiser als den Nachfolger Karls des Großen 
empfand. Diese wurzelte in dem tiefen historischen Gefühl, 
das Friedrich Wilhelm IV. von Jugend an dem mittel¬ 
alterlichen deutschen Kaisertum gegenüber erfüllte und 
das ihn längst der profanen Außenwelt als „Romantiker auf 
dem Thron“ hatte erscheinen lassen. Am 23. Dezember 1848, 
da er von dem Plan seiner Erwählung zum deutschen 
Kaiser hörte, schrieb der König an seinen Freund Joseph 
von Radowitz: 
„Die alte legitime, seit 1806 ruhende Krone teutscher 
Nation, das Diadem von Gottes Gnaden, das den, der 
es trägt, zur höchsten Obrigkeit Teutschlands macht, 
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