Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

populär. Di© sozialdemokratische Partei förderte mit der 
ganzen Kraft und Siegessicherheit ihrer Jugend diesen 
Gedanken am stärksten. In dem etwa 1905 schließenden 
Jahrzehnt hatte sich die wirtschaftliche Kraft Österreichs 
beträchtlich gehoben: Bankwesen und Großindustrie hatten, 
zumal in den böhmischen Ländern und in Wien, einen 
gewaltigen Aufschwung genommen. Österreich war in wirt¬ 
schaftlicher und sozialer Hinsicht ein kapitalistisches 
Land geworden. Das gab der Arbeiterschaft, selbst in 
den Augen konservativster Männer, beträchtlich erhöhte 
Bedeutung in politischen Dingen. 
Jahren seiner Regierung alle daran beteiligten Faktoren 
ermüdet und erschöpft waren. Er selbst hatte nach und 
nach drei Ressorts in seinen Händen vereinigt, war infolge 
Überarbeitung so reizbar und nervös geworden, daß man 
später bei Hofe erzählte, der- Kaiser habe gesagt: „Der 
Koerber hat zuletzt sogar mich angeschrieen!“ Koerber fiel 
tatsächlich, als der Führer der Tschechen, Dr. Kramär, 
seinem alten Freunde, dem Baron Gautsch, erklärt hatte, 
wenn dieser an Stelle Koerbers eine neue Regierung bilde, 
würden die Tschechen die Obstruktion einstellen. Als 
Koerber unvermutet, ohne seine Ministerkollegen davon zu 
verständigen, dem Monarchen seine Demission überreichte, 
wollte Franz Joseph ihn noch im Amte halten. Er änderte 
aber seinen Willen, als er von den Aussichten hörte, die 
die Berufung des Baron Gautsch verwirklichen könnte. 
Dieser, der so lange unter Taaffe Unterrichtsminister und 
dann kurze Zeit Ministerpräsident gewesen, war von Franz 
Joseph längst als staatsmännische „Utilite“ sehr geschätzt 
und stand hoch in Gnaden. Was jedoch bei dieser Wen¬ 
dung des Kaisers eine große Rolle spielte, war die große 
Sorge, die ihm längst die politischen Zustände in Ungarn 
bereiteten, die durch die Lahmlegung des österreichischen 
Reichsrates nur noch gefährlicher wurden, ferner die Über¬ 
legung, daß Koerber den Magyaren der unangenehmste 
österreichische Ministerpräsident geworden war. 
Das Verhältnis Franz Josephs zu Ungarn blieb bis zum 
Rücktritt des alten KolomanTisza im März 1890 im Großen 
und Ganzen unverändert, so wie es Deäk und Julius An- 
drässy begründet hatten. Allerdings war seit 1886 eine 
gewisse Trübung eingetreten infolge der ersten scharfen 
zuletzt deshalb, weil nach fünf 
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