Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Iren im englischen Unterhause gebrochen hatte, führte 
zu geradezu beängstigenden Szenen physischer Gegenwehr 
in der Opposition und zu Angriffen auf den Vorsitzenden. 
Der am nächsten Tage von dem tschechischen Vizepräsi¬ 
denten Dr.Kramai- im Einverständnis mit dem Grafen 
Badeni gemachte Versuch, mittelst Polizeigewalt die ob¬ 
struierenden Abgeordneten aus dem Saale zu schaffen, ver¬ 
wandelte das Abgeordnetenhaus zeitweise in ein Tollhaus. 
Die durch diese Vorgänge aufs höchste gesteigerte Ent¬ 
rüstung und Wut der deutschen Abgeordneten übertrugen 
sich jetzt mit größter Schnelligkeit auf die ganze Be¬ 
völkerung der Reichshauptstadt und wurden bald auch 
auf den Straßen Wiens sichtbar. Polizei und bald auch 
Militär mußten aufgeboten werden, um die demonstrie¬ 
rende Studentenschaft, bald aber auch die durch die 
Sozialdemokratie in Bewegung gesetzten Volksmassen im 
Zaune zu halten. Am 27. November 1897 geriet Wien in 
einen fast revolutionären Zustand. Dr. Lueger, dem auf 
den unklugen Rat Badenis hin Franz Joseph im vorher¬ 
gehenden Jahre zweimal nach seiner wiederholten Er¬ 
wählung durch die christlichsoziale Mehrheit der Ge¬ 
meindevertretung zum Bürgermeister die kaiserliche Be¬ 
stätigung versagt hatte, ließ nun in seinem reichen Re¬ 
gister von politischen Stimmen die deutschnationale stark 
hervorklingen, um nicht von der alldeutschen Bewegung 
überrannt zu werden. Zwei Tage später, als der Kaiser von 
einem Besuche bei seiner Tochter aus Oberösterreich heim¬ 
kehrend die demonstrierenden Massen in den Straßen sah, 
händigte er wenige Stunden später dem Grafen Badeni das 
von diesem vor vielen Monaten überreichte formelle De¬ 
missionsgesuch mit seiner Unterschrift ein. Das Spiel des 
„starken Mannes“ war zu Ende: der Kaiser hatte ihn ruhig 
fallen lassen. Franz Joseph hielt ja keinen Minister für 
unersetzlich! An die „Revolution“ der Wiener, der Deut¬ 
schen überhaupt, glaubte er nicht, lächelte, als ein 
Minister davon sprach. 
Daß mit dem Siege der deutschen Obstruktion der öster¬ 
reichische „Staatsgedanke“ nicht gerettet sei, war sicher, 
denn die Sprachenverordnungen bübbfih in Kraft. Ebenso 
gewiß war es aber, daß das konstitutionelle Prinzip in 
Österreich nunmehr im Parlamente selbst, und zwar durch 
die Deutschen, zerbrochen worden war. Daß dies der 
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