Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

schwierigen Situation in der Politik stand. Allerdings das 
dauerte immer nur kurze Zeit. Er war doch längst ein 
jj Anderer geworden! (Schmerling, Beust, Taaffe hatten ihm 
| gezeigt, daß der konstitutionelle Monarch mit Geduld, 
mit unscheinbaren und oft unsichtbaren Mitteln, mit 
Zähigkeit und List mehr erreicht, als durch Ausübung 
seiner materiellen MachLj Er war ja längst zur Nach¬ 
giebigkeit erzogen worden. Zuerst durch die ihm so frem¬ 
den, unsympathischen Liberalen, dann auch ganz beson¬ 
ders durch den immer zuversichtlich gestimmten Grafen 
Taaffe. Die Franz Joseph sozusagen angeborenen Herrscher¬ 
instinkte staken bei ihm längst mehr im Unterbewußtsein, 
sie traten jedenfalls am Ende des ersten Vierteljahr- 
hunderts seiner konstitutionellen Regierung nur abge¬ 
schwächt hervor. Er fühlte das wohl selbst, hatte doch, 
wie er wußte, sogar sein unglücklicher Sohn den Vater 
wegen seines Zögerns vor kräftigen Entschlüssen arg kriti¬ 
siert! Vielleicht war aber doch der polnische Graf jetzt 
der richtige Mann, ihm zu dienen. Er legte also die Re¬ 
gierung in dessen Hände, alle Ressorts wurden an Be¬ 
amte übertragen. Anfänglich ging’s ganz gut: Graf Badeni 
hatte in Wien einige Polen in einflußreicher Amtsstellung 
gefunden, die ihn ganz gut berieten, die Wiener liberale 
Presse ließ sich hoffentlich bald gewinnen. Das Wahl¬ 
reformgesetz, das er im Reichsrat einbrachte, wurde ohne 
Schwierigkeit von dessen beiden Häusern angenommen. 
Es war übrigens kein Meisterstück. Den vorhandenen 
Wahlkörpern der Zensuswähler in Stadt und Land sowie 
denen der Großgrundbesitzer und Handelskammern wurde 
ganz mechanisch ein Wahlkörper des allgemeinen Wahl- 
rechts angefügt, in welchem in riesigen Wahlkreisen genau 
sechs Dutzend Abgeordnete na,eh a.l1gem^mamy--gleißhftn 
und direkten Wahlrechte gewählt werden sollten, zwei- 
undsiebenzig von vierhundertfünfundzwanzig Volksver¬ 
tretern! Für die Radikalen und Sozialdemokraten war das 
viel zu wenig, den alten Parteien war es viel zu viel! Nun 
kam aber die zweite große „Aufgabe“, die Franz Joseph 
dieser Regierung gestellt hatte: die Durchführung des mit 
Ungarn vereinbarten neuen Zoll- und Handelsbündnisses. 
Dafür war eine verläßliche Mehrheit im Abgeordneten¬ 
hause unerläßlich. Graf Badeni wollte solche mit Hilfe 
der Tschechen schaffen und als Lohn dafür gab er eine 
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