Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

geschätzten Abgeordnetenhause schon den Herrn zeigen 
würde. Der providentielle Staatsmann, der dieses Kunst¬ 
stück leisten sollte, stand auch schon bereit: der Statt¬ 
halter von Galizien. Graf Kasimir Badeni, den der Kaiser 
für einen fähigen, energischen Staatsmann hielt, war dazu 
seit langem ausersehen. Leider war der polnische Graf 
nur eine Lokalgröße, die bloß unter den noch recht „alt- 
väterisch einfachen“ Verhältnissen des polnischen Adels¬ 
regimes in Galizien möglich war. Graf Badeni besaß keine 
irgendwie zureichende Kenntnis von den politischen, so¬ 
zialen und nationalen Kräften Österreichs mit Ausnahme 
seines Heimatlandes. Die hohe Wiener Bürokratie stand 
ihm von Anfang an skeptisch und ablehnend gegenüber. 
Diese Männer wußten nur zu genau in den administrativen 
Verhältnissen Galiziens Bescheid und kannten die eigen¬ 
artigen politischen Ideen der polnischen Edelleute, wie 
Franz Joseph sie ruhig in der Administration Galiziens 
praktizieren ließ, seit zu Beginn der Siebziger Jahre die 
Polen als ständige Leibgarde jeder vom Kaiser ernannten 
Regierung fungierten, in welcher immer ein Mitglied des 
Polenklubs als „Landsmann-Minister“ für Galizien unver¬ 
brüchlich seinen Platz hatte. Graf Badems Berufung war 
der schwerste Fehler, den Franz Joseph seit der Er¬ 
nennung des Grafen Gvulai zum Heerführer im Jahre 
1859 bei der Besetzung höchster Posten im Staate be¬ 
gangen hatte. Was ihn dazu bewog, war vor allem der 
Umstand, daß die Generalität den galizischen Statthalter 
seit langer Zeit dem Kaiser gegenüber mit höchstem Lobe 
überschüttete, weil er in derZeit des drohenden russischen 
Krieges im Jahre 1887/88 sich „höchst patriotisch“, mili¬ 
tärfreundlich und als ein der Bevölkerung gegenüber sehr 
energischer Administrator erwiesen hatte. Eine bessere 
Empfehlung als solche der hohen Militärs konnte es bei 
Franz Joseph nicht geben, wenn es sich um einen hohen 
Beamten handelte. Noch immer war der Kaiser geneigt, 
Kraft in der Politik der Rücksichtslosigkeit eines 
kommandierenden Offiziers gleichzusetzen. Noch immer 
hatte er nicht das volle Verständnis für die Besonderheit 
geistiger Energie und Stärke des Staatsmannes gewonnen. 
Jugenderinnerungen an die Zeit der Selbstherrschaft, an 
Felix Schwarzenbergs unbezähmbare Willenskraft traten 
offenbar bei ihm immer wieder auf, wenn er vor einer 
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