Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

größer, seit die Serben, ihren Angriffskrieg gegen die 
Türkei begonnen hatten und dabei von den panslavisti- 
schen Kreisen Kußlands sowohl durch Geld und Waffen, 
als auch durch Freiwillige kräftig unterstützt wurden. 
Dieser sehr gefährliche Zustand führte zunächst zur Zu¬ 
sammenkunft Franz Josephs mit Alexander II. sowie ihrer 
beiden Kanzler im Schlosse Reichstadt, wobei für den Fall 
einer Auflösung der Türkei Abmachungen getroffen wur¬ 
den, die Serbien einen Gebietszuwachs, Österreich-Ungarn 
die Annexion von Bosnien und der Herzegowina in Aus¬ 
sicht stellten. Dem Biographen Franz Josephs obliegt es 
nicht, die weitere Entwicklung der höchst komplizierten 
diplomatischen Verhältnisse, wie sie der unglückliche Ver¬ 
lauf des serbischen Krieges hervorrief, zu schildern, noch 
auch die einzelnen Phasen des russischen Krieges zu ver¬ 
folgen, der im Frühling 1877 beginnend zu Ende des 
Jahres die russische Armee bis vor die Tore Konstanti¬ 
nopels führte. Der zu San Stefano von Rußland den Tür¬ 
ken diktierte Friede widersprach den Verabredungen von 
Reichstadt fast in jedem Punkte. Der sich daraus zwischen 
Österreich-Ungarn und Rußland ergebende Konflikt und 
das Eingreifen der englischen Regierung führten sodann 
zur endgültigen Regelung des Friedens die Einberufung 
einer europäischen Konferenz herbei, die unter dem Vor¬ 
sitze des Fürsten Bismarck in Berlin stattfand. Graf 
Andrässy hatte während der ganzen so bedrohlichen Krise 
die volle Zustimmung Franz Josephs zu seiner Politik 
gefunden. Auf den Kongreß ging Andrässy mit dem Pro¬ 
gramme, die Annexion Bosniens und der Herzegowina, die 
Rußland schon zu Reichstadt zugesagt hatte, durchzu¬ 
setzen. Die Großmächte waren damit von vornherein ein¬ 
verstanden. Auch Rußland widersprach nicht offen. Die 
Vertreter des Sultans entwickelten jedoch hartnäckigen 
Widerstand und Andrässy sah sich schließlich genötigt, 
sich mit dem Zugeständnis der unbefristeten „Okkupation“ 
der beiden Provinzen zu begnügen. Damit nicht genug, 
mußte er im letzten Augenblick dem Drängen der türki¬ 
schen Minister nachgeben und eine geheime Deklaration 
unterzeichnen, durch welche Österreich-Ungarn den pro¬ 
visorischen Charakter der Okkupation sowie die Aufrecht¬ 
haltung der formalen Souveränität des Sultans über die 
beiden okkupierten Provinzen anerkannte. Erst ein Jahr 
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