Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

stände hatte nicht nur die Einwirkung und Hilfeleistung 
russischer Panslavisten allein Schuld, sondern auch das 
österreichisch-ungarische Südslaventum hatte seine Hand 
dabei im Spiele. Schon seit Jahren waren Bosnien und die 
Herzegowina sowie Albanien von österreichischen General¬ 
stabsoffizieren gründlich studiert worden. In der Armee 
Franz Josephs spielten die kroatischen und die aus ortho¬ 
doxen Grenzerfamilien stammenden Generale immer eine 
große Rolle, faßte man doch am Hofe die Offiziere süd- 
slavischer Rasse als eine besondere „schwarzgelbe Leib¬ 
garde des Kaiserhauses“ auf, deren Treue und Verläßlich¬ 
keit seit Jellacic als sprichwörtlich galt. Aus der Reihe 
dieser hohen Offiziere ist es General Rodich gewesen, der 
seit dem Ende der Sechziger Jahre als Statthalter von Dal¬ 
matien mit besonderem Eifer die Förderung des öster¬ 
reichischen Einflusses in dem Hinterlande seines Amts¬ 
gebietes betrieb. Er stand mit den Insurgenten in Bosnien 
in vertrauter Fühlung. Er war es auch, der Franz Joseph 
dazu bestimmte, daß dieser im Jahre 1875 zum ersten Male 
eine mehrwöchentliche Reise nach Dalmatien unternahm, 
die zum Anlasse großer Loyalitätsbezeugungen nicht nur 
der Bevölkerung, sondern auch zahlreicher Deputationen 
christlicher bosnischer Kreise benutzt wurde. 
Der Aufstand in Bosnien vom Jahre 1875 war ernster als 
alle vorhergehenden derartigen Ereignisse und setzte natür¬ 
lich die Kabinette der beiden östlichen Kaisermächte in 
anhaltende Bewegung. Zuerst sollte durch kollektives Vor¬ 
gehen aller Großmächte die Türkei zur Abstellung der 
furchtbaren Mißstände in den Provinzen genötigt werden. 
Graf Andrässys Reformnote und ähnliche Bemühungen 
scheiterten ebenso sehr an der vollkommenen Passivität 
der Türkei als auch an der ganz unzweideutigen Absicht 
des russischen Kanzlers Gorcakow, die Rußland gegebenen 
Gelegenheiten zu einer Wiederaufnahme seiner alten Poli¬ 
tik der Befreiung der christlichen Völker der Balkanhalb¬ 
insel und zur Eroberung Konstantinopels auszunützen. Wie 
die Dinge lagen, stand beim Deutschen Reiche die Ent¬ 
scheidung über die Möglichkeiten dieser Politik. Dem 
Fürsten Bismarck war alles daran gelegen, sowohl Ru߬ 
land wie Österreich als Verbündete Deutschlands zu er¬ 
halten und die zwischen ihnen bestehenden Konflikte zur 
friedlichen Lösung zu bringen. Die Gefahr war umso 
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