Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

reich, die Achse, um welche sich die ganze politische Ent¬ 
wicklung dieser beiden von der jugoslavischen Rasse im 
Kampf gegen den Sultan geschaffenen Staaten bewegte. 
Beide, von Abkömmlingen nationaler Dynastien, der Häu¬ 
ser Obrenovic und Petrovic, regierten Völker waren auch 
noch zu Beginn der Siebziger Jahre formell dem Padischah 
untertan, ihm sutferän. Der Drang Rußlands nach der 
Eroberung Konstantinopels wurde von jeher von der ganzen 
christlichen Bevölkerung der Balkanhalbinsel als stärkste 
Hoffnung ihrer politischen Zukunft aufgefaßt. Die Tat¬ 
sache, daß die vom Sultan in feierlichen Erlässen den 
Großmächten gegebenen Versprechungen auf Reform der 
Administration seiner europäischen Provinzen vollstän¬ 
dig unausgeführt blieben, gab den von Rußland unter den 
Rajahs Bosniens und der Herzegowina, aber auch unter 
den Bulgaren und Mazedoniern betriebenen religiösen und 
politischen Agitationen unablässig neue Kraft und zwan¬ 
gen das Wiener Kabinett ständig zu offener und geheimer 
Tätigkeit seiner diplomatischen Agenten auf der Balkan- 
halbinsel. Die Wirksamkeit der seit den Tagen des Zaren 
Nikolaus die russische Gesellschaft immer mehr beein¬ 
flussenden panslavistischen Agitation unterstützte ständig 
die gegen die türkische Herrschaft gerichteten Bewegun¬ 
gen der Balkanvölker. In dieser Hinsicht standen Serbien 
und Montenegro immer im Mittelpunkte des balkanischen 
Hexenkessels. Dabei bestand auch zwischen den Serben 
in ihrem eigenen Staatsgebiete und ihren Brüdern nördlich 
der Save und Donau regelmäßige Verbindung. Das Karlo- 
witzer Patriarchat in Südungarn bedeutete seit dem 1'8. Jahr¬ 
hundert das zeitweilig stärkste intellektuelle und poli¬ 
tische Zentrum der nationalpolitischen Bestrebungen des 
ganzen Südslaventums. 
Schon damit ist bezeichnet, wie groß das Interesse der 
Wiener Reichsregierung an allen Vorgängen sein mußte, 
die sich in dem weiten Gebiet zwischen der südlichen 
Reichsgrenze, der dalmatinischen Küste und dem Balkan 
vollzogen. Franz Joseph hatte seit 1848 allen diesen Er¬ 
scheinungen vollste Aufmerksamkeit geschenkt. Seit den 
Tagen, da der slavische Patriarch Rajacic und der junge 
Stratimirovic den Kampf der kaiserlichen Armee gegen 
die magyarische Revolution unterstützten, kannte der 
junge Kaiser alle persönlichen und sachlichen Verhält¬ 
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