Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

zusammensetzte. Alle persönlichen Bemühungen des Kai¬ 
sers, eine neue Regierung zu bilden, welche die Unter¬ 
stützung zumindest des großen Teiles der Verfassungs¬ 
part ei finden würde und neue Wege in der Innenpolitik 
Österreichs zu gehen bereit wäre, scheiterten vor allem an 
der persönlichen Gehässigkeit, mit der sich die einzelnen 
Fraktionen und ihre Führer bekämpften.j Zuletzt war es 
die von Dr. Herbst geleitete Opposition gegen die Außen¬ 
politik Andrassys, die zur Okkupation von Bosnien und 
der Herzegowina geführt hatte, was bei Franz Joseph die 
Entscheidung brachte. Nun hatten die ebenso herrsch¬ 
süchtigen als kurzsichtigen liberalen Staatsmänner Wiens 
auch die Freundschaft und Unterstützung der Ungarn ver¬ 
loren, die ihnen 1871 gegen die föderalistischen Bestre¬ 
bungen der Slaven zugute gekommen war. So konnte Franz 
Joseph denn mit gutem Gewissen von sich sagen, daß er 
Alles aufgeboten hatte, um den gemäßigten Liberalismus 
Österreichs, den die Fehler des Selbstherrschertums Franz 
Josephs viel mehr als die Fähigkeiten seiner Führung 
in die Höhe gebracht hatten, in seiner Machtstellung so¬ 
weit als möglich zu erhalten. Diese damals von Bismarck 
in einer Reichstagsrede als ,?Herbstzeitlosen“ vor ganz 
Europa verspotteten Staatsweisen vergaßen, daß ihre zeit¬ 
weilige Machtstellung doch nur auf einem von Schmer¬ 
ling und der hohen Bürokratie geschaffenen künstlichen 
Wahlrechte beruhte, das auf den Leib der in Österreich 
niemals wahrhaft in den Massen wurzelnden liberalen 
Minorität des städtischen Bürgertums zugeschnitten war. 
Längst hatte auch dieser künstliche Mechanismus die 
Verfassungspartei nicht davor bewahren können, bei den 
Wahlen sowohl durch die Slaven als auch durch die katho¬ 
lischen Parteien zurückgedrängt zu werden. Alles das 
wußte Franz Joseph und längst hatte er den Mann bereit, 
dem er sein volles Vertrauen schenkte. Er berief denn 
seinen Jugendgespielen, den Grafen Eduard Taaffe. der 
schon als Mitglied des Bürgerministeriums 1868 der eigent¬ 
liche Vertrauensmann des Kaisers in dieser ihm so un¬ 
sympathischen Regierung gewesen war, nunmehr zum 
Ministerpräsidenten in der Voraussetzung, daß er die 
Tschechen zum Eintritt in den Reichsrat bewegen und da¬ 
durch den unausweichlichen Umschwung in der inneren 
Politik Österreichs herbeiführen werde. Eine stärkere Kon- 
22 Redlich, Kaiser Franz Joseph 
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