Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Bismarck und hatte schon am Tage nach der Schlacht bei 
Königgrätz durch seinen Botschafter, den Fürsten Metter¬ 
nich, die Vermittlung Napoleons angerufen, indem er 
gleichzeitig diesem und nicht dem geschlagenen italie¬ 
nischen Gegner die Abtretung von Venezien anbot. Um 
Italien brauchte sich also Bismarck nicht weiter zu küm¬ 
mern. Erst später wurde bekannt, daß Franz Joseph mit 
Napoleon schon vor dem Kriege ein Abkommen bezüglich 
Veneziens geschlossen hatte, das für den Fall des Sieges 
Österreichs in Deutschland an Frankreich abgetreten wer¬ 
den sollte, als Kompensation für den territorialen Gewinn, 
den Österreich in Deutschland erlangen würde. Dieser Ver¬ 
trag, dessen Test erst in den letzten Jahren bekannt ge¬ 
worden ist, läßt die diplomatische Kunst Mensdorffs und 
Esterhazys, der Berater Franz Josephs, höchst zweifel¬ 
haft erscheinen. Man sieht daraus aber auch, daß Franz 
Joseph von dem Unterrichte, den ihm Schwarzenberg ge¬ 
geben hatte, keine dauernden Lehren gewonnen hatte. 
Dies ersieht man aus Franz Josephs Diplomatie in den 
Wochen vor Ausbruch des Krieges, da er den englischen 
und französischen Antrag auf Abhaltung einer europä¬ 
ischen Konferenz zur Vermeidung des Krieges schroff 
ablehnte, weil er über die Abtretung Veneziens nicht 
sprechen wollte, dann aber doch in der letzten Viertel¬ 
stunde diesen ihm so kostbaren Besitz Napoleon ver¬ 
sprach in einem Vertrage, der so undeutlich abgefaßt 
ist, daß der Ministerrat dessen Sinn sich nicht voll¬ 
kommen klar zu machen vermochte: Franz Joseph, 
noch immer ganz Selbstherrscher in der auswärtigen 
Politik, zeigt sich in diesen für ihn gewiß sehr gefähr¬ 
lichen Zeitläuften noch einmal der Aufgabe, die ihm ob¬ 
liegt, nicht gewachsen. Wieder ist er ganz von dem Be¬ 
streben erfüllt, alles zu erhalten, was das Erzhaus an 
Ländern und Positionen in Europa besitzt, alles womög¬ 
lich gleichzeitig zu erreichen: das war eben Franz Josephs 
Schicksal, daß er, von seinem unerschütterlichen Pflicht¬ 
gefühl für das dynastische Interesse seines Hauses er¬ 
füllt, nie scharf genug die ganze Lage der Machtverhält¬ 
nisse erfaßte, um im geeigneten Augenblicke Opfer zu 
bringen, bevor sie ihm durch die Niederlagen auf dem 
Schlachtfelde abgezwungen wurden. Er wollte Venedig, 
an dem tatsächlich sein Herz hing, Italien nicht einräu¬ 
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