Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

ringes Vertrauen auf den Erfolg des Oktoberdiploms schon 
gänzlich eingebüßt und stimmte den Ansichten zu, die ihm 
von allen seinen Generälen, die Ungarn kannten, unver¬ 
hohlen ausgesprochen wurden, daß nämlich nur durch Wie¬ 
derherstellung der kaiserlichen Regierung und Verwaltung 
im Lande die Gefahr einer Revolution beseitigt und die 
Ordnung wieder hergestellt werden könnte. Eeldzeugmeister 
Benedek hatte noch kurz vorher, ehe er das Gouverne¬ 
ment in Ofen mit dem Kommando der italienischen Armee 
in Venezien vertauschte, öffentlich die „feige Magnaten- 
Politik“ gebrandmarkt und dadurch in der Adelsgesell¬ 
schaft Ungarns stärkste Entrüstung hervorgerufen. Mit 
einem von Humor vielleicht nicht immer ganz freien 
Gleichmut sah Eranz Joseph der neuerlichenEnttäuschung 
der Altkonservativen entgegen, die ihnen Schmerling be¬ 
reitete. Der neue Staatsminister hatte sich als Bedingung 
für sein Eintreten in die Regierung vom Kaiser zusichern 
lassen, daß bei der ihm nun übertragenen Aufgabe der 
Ausführung des Oktoberdiploms für die nichtungarischen 
Länder, vor allem bei der Entwertung der Landesver¬ 
fassungen, das bürgerliche und das deutsche Element die 
seiner großen Bedeutung für das Reich entsprechende 
Machtstellung erlangen müßten. Die feudalständischen 
Entwürfe des Grafen Goluchowski für die Landesver¬ 
tretungen wurden fallen gelassen und neue Gesetzentwürfe 
substituiert, in welchen neben die Wahlkörper des Gro߬ 
grundbesitzes Vertretungen der Städte und Landgemein¬ 
den gestellt wurden, in denen durch einen hohen Wahl¬ 
zensus sowie durch die geschickte Einteilung der Wahl¬ 
bezirke die Tschechen in Böhmen, Mähren und Schlesien, 
und die Südslaven in Krain und im Küstenlande gegen die 
Deutschen beziehungsweise Italiener zurückgesetzt wurden. 
Zugleich änderte Schmerling das „Diplom“ in der Richtung 
ab, daß er den Reichsrat zu einem wirklichen, aus Herr eir¬ 
und Abgeordnetenhaus bestehenden Parlament gestaltete, 
welchem nunmehr eine außerordentlich weitgehende legis¬ 
lative Kompetenz eingeräumt wurde. Die Landtage bil¬ 
deten fortan bloß auf rein provinzielle Angelegenheiten be¬ 
schränkte Vertretungen, deren Hauptfunktion darin bestand, 
mit ihren künstlich gebildeten Wahlkörpern zugunsten der 
deutschen Nationalität, der Großgrundbesitzer und des 
Großbürgertums dem Kaiser und seiner Regierung jeder- 
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