Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

gesamte innere Politik der westlichen Reichshälfte be¬ 
stimmend geblieben sind, merkwürdigerweise aber nicht 
für die Politik der östlichen Hälfte, nämlich Ungarns. 
Dies ist um so bemerkenswerter, als der Anstoß zu die¬ 
sen öffentlichen Deklarationen beider Grundanschauungen 
von Ungarn aus gegangen war und sie durch einen Magyaren, 
den Grafen Szecsen, in der Adresse und in einer großen 
Rede ausführlich formuliert wurde. Dieser und die Grafen 
Georg Apponyi und Emil Dessewffy waren die führenden 
Köpfe unter den magyarischen Magnaten. Seit dem Herbst 
1859 stand Franz Joseph mit diesen Männern in unmittel¬ 
barer Verbindung. Unter dem Einflüsse dieser Politiker 
waren alle die vorangeführten ersten Schritte des Kai¬ 
sers auf dem neuen Wege vor sich gegangen. Ungarn bil¬ 
dete weitaus die erste und größte Sorge des Kaisers. 
Sollte das Reich als Einheit und Großmacht erhalten blei¬ 
ben, mußte der Versuch gemacht werden, Ungarn zur An¬ 
erkennung der Reichseinheit zu bewegen und solche an 
die Stelle des bisherigen polizeilichen und militärischen 
Zwangs zu setzen, der seit 1850 das Reich zusammenhielt. 
Die Altkonservativen waren der Meinung, daß sie nicht 
nur das Recht, sondern auch die Kraft hätten, Ungarn zu 
dieser Anerkennung zu bringen. Diese Anschauung Franz 
Josephs zu vermitteln, war das erste große Ziel der alt¬ 
konservativen Adelspartei gewesen, und man verstand, daß 
sie sich diesem Ziele nur etappenweise nähern konnte. 
Eine wichtige Station auf diesem Wege war mit der Ta¬ 
gung des außerordentlichen Reichsrates gewiß erreicht. 
Hierzu war es für die ungarischen Adelspolitiker not¬ 
wendig gewesen, sich die Unterstützung derjenigen zu 
sichern, denen sie in jeder Hinsicht am nächsten standen, 
das waren die „feudal“ gesinnten Politiker des böhmischen 
und erbländischen Adels in der westlichen Reichshälfte. 
Unter diesen standen Graf Heinrich Clam-Martinic, Fürst 
Karl Schwarzenberg und Graf Nostitz an der Spitze. Die 
Gründung einer konservativen, katholisch gesinnten Tages¬ 
zeitung in Wien im Jahre 1860 bildete den Abschluß der 
politischen Organisierung der österreichischen Adelspartei. 
Diese, mit den ungarischen Standesgenossen durch alte 
Tradition, Familienvererbung und gemeinsame antiliberale 
Grundanschauungen in den großen Reichsfragen einigen 
hochadeligen Großgrundbesitzer stellten nun als eigent¬ 
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