Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Wendungen von einer „Übertragung eines Teiles der Ver- 
waltungsgeschäfte auf autonome Organe“ gesprochen, 
dann von einem neuen Gemeindegesetz und schließlich 
wurde ziemlich unbestimmt von ständischen Vertretungen 
der Länder geredet. „Ernst ist die Lage, groß sind die 
Schwierigkeiten, tief die Wunden, welche ererbte Übel¬ 
stände, ein Zusammentreffen ungünstiger Umstände und 
ein unglücklicher, wenn auch ruhmvoller Feldzug dem 
gesamten Vaterlande geschlagen haben.“ Mit dieser vom 
Kaiser selbst unterfertigten Kritik der Zustände war die 
Öffentlichkeit einverstanden, umso schwerer vermißte sie 
die praktische Nutzanwendung davon. Man erkannte all¬ 
gemein, daß der Kaiser nur mit großer Mühe auf dem 
schweren Wege, den er nun zu gehen hatte, vorwärts ge¬ 
bracht werden würde. In der Tat war seine persönliche 
Stellung zu den durch den Krieg auftauchenden inner¬ 
politischen Problemen die allerschwierigste; man muß 
sich nur vergegenwärtigen, was dem noch jungen Selbst¬ 
herrscher von seinen neuen, noch immer fast ausnahms¬ 
los streng konservativ gesinnten Ratgebern zugemutet 
wurde. Für Franz Josephs Empfinden war das nichts we¬ 
niger als die Preisgabe der großen Schöpfung Schwarzen¬ 
bergs und Bachs. Er, dessen Willen noch vor wenigen 
Wochen für 40 Millionen Untertanen die politische Vor¬ 
sehung auf Erden bedeutete, sollte jetzt selbst damit be¬ 
ginnen, mit eigener Hand das Gebäude seiner Macht ab¬ 
zutragen? Und dieses Schicksal mußte Franz Joseph umso 
bitterer ankommen, als er damit gewissermaßen freiwillig 
zugestand, das ganze System seiner Regierung während 
der ersten zehn Jahre seiner Herrschaft sei ein Irrtum 
und Unrecht gewesen, die nun durch Reformen gut¬ 
gemacht werden müßten. Darauf, das fühlte er, zielte ja 
alles das, was von ihm jetzt öffentlich verlangt wurde. 
Er hörte, daß „man“ -— die Völker — einen völligen Um¬ 
schwung verlangte, und las solche Wünsche auch aus den 
angeblich so sorgsam zensurierten Zeitungen heraus — 
auch Franz Joseph hatte längst, wie jeder seiner gebilde¬ 
ten Untertanen, „zwischen den Zeilen“ der Zeitungen „die 
Wahrheit“ zu lesen gelernt. Aber auch in seiner unmittel¬ 
baren Umgebung merkte er, daß man Veränderungen für 
unausweichlich hielt und seine bisherige Regierungstätig¬ 
keit kritisch ansehe. Selbst die Erzherzoge waren seit 
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