Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

der Regierung von Jahr zu Jahr. Das Unvermögen der 
österreichischen Staatsmänner, die eigentliche soziale 
Frage jener Zeit, das Problem der Bauernbefreiung in 
Ungarn, in Galizien und den böhmischen Ländern zu 
lösen, bildete in den Landtagen von Wien und Prag den 
Hauptangriffspunkt, die veralteten Einrichtungen der Uni¬ 
versitäten, die peinliche Überwachung der Studentenschaft 
und ihrer Lehrer durch die hohe Polizei riefen in den 
Kreisen der gebildeten Mittelstände immer tiefere Un¬ 
zufriedenheit, bald aber auch Verachtung der Regierung 
hervor. Unruhe in den oberen Schichten und in den Mittel¬ 
klassen trotz Bewahrung der äußeren Ruhe, verstärkte 
Zweifel an der Kraft der Regierung, das franzisceische 
Polizeisystem noch lange aufrecht zu erhalten, wirkten 
seit der Mitte der 40er Jahre zusammen, um die schein¬ 
bar so starken Fesseln merklich zu lösen, mit denen die 
Regierung die Freiheit des Einzelnen und die natürliche 
Bewegung der Stände und Klassen der verschiedenen Na¬ 
tionen band. An Stelle des öffentlichen Lebens sollten 
noch immer die längst völlig veralteten Formen eines 
ganze Völker und Klassen dirigierenden patriarchalischen 
Regimes aufrecht erhalten werden, dem sogar — der 
Regent längst fehlte. 
Die Entwicklung in Ungarn beschleunigte seit 1840 den 
Prozeß der sorgfältig verhüllten und deshalb umso gefähr¬ 
licheren Zersetzung dieses Greisenregim.es der Staats¬ 
konferenz. Der uralte, zuerst wieder durch Joseph II. an¬ 
gestachelte Nationalstolz des magyarischen Adels fand 
nun in der durch die Einflüsse des westlichen Liberalis¬ 
mus erzogenen jungen Generation des Ungarntums seine 
volle Auferstehung vor allem in der breiten Schichte des 
kleinen Adels, bald aber auch bei der Intelligenz in den 
zumeist von Deutschen gegründeten Städten. An den 
ersten Angriffen gegen die junge kroatische Nationalidee 
im Preßburger Landtage entzündete sich die politische 
Herrschsucht des Magyarentums zu vollem Feuer. Der 
von Franz II. so lange vernachlässigte, viele Jahre gar 
nicht einberufene Landtag strebte sichtlich die Umwand¬ 
lung in ein konstitutionelles Parlament an. Fürst Metter¬ 
nich, mit dem ungarischen Hochadel durch seine dritte 
Frau verschwägert und versippt, besaß immerhin Ver¬ 
ständnis für die Verfassungsgeschichte Ungarns, für dieses 
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