Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

dem Erzherzog Ludwig, ferner aus dem Fürsten Metter¬ 
nich und dessen langjährigen politischen und persönlichen 
Gegner, dem Grafen Kolowrat, der zwei Jahrzehnte als be¬ 
sonderer Vertrauensmann des Kaisers Franz das Innere 
administriert hatte. Nun bot das große Reich alsbald ein 
Bild dar einzig in seiner Art. Die Staatskonferenz und die 
ihr unterstehenden Zentralbehörden, welche das ganze 
Leben der vielen Völker und Länder Österreichs mittelst 
zahlloser Ämter und Behörden bevormundeten und be¬ 
herrschten, bildeten den Schauplatz unablässiger Intrigen, 
offener und stiller Kämpfe der beiden Staatsmänner, 
zwischen denen der Erzherzog die Wage hielt, indem er 
in aller Regel die Entscheidung über die auftauchenden 
Staatsfragen einfach vertagte. Dabei ging das Uhrwerk 
der riesigen Amtsmaschine, so wie Kaiser Franz sie ein¬ 
gerichtet hatte, ruhig weiter. Polizei und Zensur arbeite¬ 
ten, das tägliche Pensum der Verwaltung wurde von den 
Beamten erledigt, nach außen hin hielt Fürst Metternich 
gute Wacht, in der Armee gelang es sogar, dank der Tat¬ 
kraft einzelner einsichtiger Generäle, wesentliche Ver¬ 
besserungen durchzuführen. Im Finanzwesen wurde der 
täuschende Schein der Ordnung aufrecht erhalten und es 
vermochte sogar der hochbegabte, modern denkende Hof¬ 
kammerpräsident Freiherr von Kübeck die neuen großen 
Fortschritte in Handel und Verkehr, vor allem das Eisen¬ 
bahnwesen, mit sicherer Hand in die Staatsverwaltung 
einzugliedern und seine künftige Entwicklung durch vor¬ 
treffliche Gesetze zu fördern. Aber trotz unleugbarer Fort¬ 
schritte des modernen Industriewesens in Wien, in Prag 
und Brünn, sowie trotz der Hebung des Triester Hafens, 
blieb das Wirtschaftsleben Österreichs noch immer rück¬ 
ständig genug. Die ländliche Bevölkerung war noch immer 
teils rechtlich, teils praktisch an die Scholle oder an die 
engste Heimat gebunden. Das Prinzip der Allmacht des 
Staates, des unverbrüchlichen Beharrens bei den bestehen¬ 
den Einrichtungen, vor allem aber auch die nahezu schran¬ 
kenlose Wirksamkeit der Polizei als des eigentlichen Motors 
des staatlichen Lebens wurden sorgsam gewahrt. Der Lei¬ 
tung dieses allmächtigen Staatswesens fehlte aber jede 
Initiative: Neuerungen wurden soviel als möglich unter¬ 
drückt. Soweit es auf die Sphäre des staatlichen Lebens 
ankam, erhielt das ganze Dasein des einzelnen Staats¬ 
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