Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

So gefiel Franz Joseph Souveränen und Gesandten, die 
ihn als Menschen kennen gelernt, sehr gut. Weniger ge¬ 
lang es ihm, sich in den Herzen der Bevölkerung Wiens 
einen Platz zu erobern, vor allem schon deshalb nicht, weil 
er gar nicht daran dachte. In Wien besaß der junge Franz 
Joseph durchaus keine Popularität: die Strenge des Be¬ 
lagerungszustandes und der Umstand, daß der Kaiser sich 
ganz mit der Armee identifizierte (die doch im Oktober 
1848 Wien mit Kartätschenschüssen und mit dem Säbel 
erobert hatte), daß er immer als Offizier auftrat, machte 
wirkliche Beliebtheit des jungen Herrn bei den breiten 
Massen, aber auch im gebildeten Bürgertum ganz unmög¬ 
lich. Denn Wien, wie ganz Österreich außerhalb der italie¬ 
nischen Provinzen, hatte „Militarismus“ bis dahin nicht 
gekannt: die alte österreichische Armee von 1848 war trotz 
der aristokratischen Vorrechte der Oberst-Inhaber in der 
Besetzung der Offizierstellen ein Körper, der mit allen 
Klassen der Bevölkerung in eifrigem und freundschaft¬ 
lichem Verkehre stand. Der junge Kaiser erschien zumal 
dem gebildeten Bürgertum als ein Repräsentant jener neuen 
Strömung in den herrschenden Kreisen, die das „treue“ Heer 
als einzige Stütze des Thrones proklamierte und sich daher 
bestrebte, dieses möglichst außerhalb des Lebens der 
„Zivilbevölkerung“ zu halten, die das Offizierkorps vor den 
gefährlichen liberalen Elementen der Mittelklasse sicher¬ 
zustellen wünschte. Das fühlte und wußte man in Wien 
und Prag, in Brünn und Graz und deshalb erwartete man 
nicht viel Gutes von dem jungen Kaiser, den der respekt¬ 
lose Wiener Volkswitz als „rothosigen Leutnant“ verspot¬ 
tete, da er immer in Generaluniform erschien. Den Mas¬ 
sen mißfiel diese für Österreich neue Soldatenspielerei des 
Kaisers. Zumal gab die große Jugend des neuen Herrschers 
in den ersten Jahren viel Anlaß zu Hohn und wegwerfen¬ 
der Kritik. Das schroffe Auftreten der militärischen Um¬ 
gebung des jungen Herrn und die allgemeine Überzeugung, 
daß dieser, selbst wenn er es wünschte, bei seinen höfi¬ 
schen Ratgebern gar nicht die Möglichkeit erlangen würde, 
Milde zu zeigen, hielten während der ersten Jahre nach 
der Thronbesteigung Bürgertum und Arbeiterschaft in 
tiefstem Groll gegen das neue Regime, und ausgesprochene 
Gleichgültigkeit erfüllte die Herzen der meisten gegenüber 
dem Träger der Krone. 
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