Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

„Der junge Kaiser ist ein vielversprechender junger 
Mann von edlem Körperbau; mit graziösen Bewegungen 
verbindet er ein gemessenes und für seine große Jugend 
ungemein taktvolles Benehmen. Sein Talent für Militär¬ 
wissenschaften und Truppenbewegungen ist hinreichend 
bekannt, sowie jenes für Sprachen. Entschieden liegt in 
ihm auch ein organisatorisches Talent, was durch eine 
rasche Auffassungsgabe und ein ungewöhnliches Ge¬ 
dächtnis sehr gefördert wird. Hätte der junge Kaiser 
einen reichhaltigeren Verkehr gehabt, und wäre es ihm 
gestattet worden, im übrigen Ausland und besonders in 
Deutschland mit eigenen Augen zu sehen und sich zu 
unterrichten, er würde schon jetzt bei seinen Anlagen 
noch viel bedeutender hervortreten. 
Ich hatte täglich Gelegenheit, viel um ihn zu sein und 
ihn über das Verschiedenste sprechen zu hören und war 
erstaunt über die Präzision und Sachkenntnis, mit der er 
jeden Gegenstand bewältigte. In allen ritterlichen Übun¬ 
gen ist er Meister und sticht auffallend von allen übri¬ 
gen Erzherzogen auch seines Alters ab. 
Der Hof ist prachtvoll montiert und in allem findet 
man Ordnung und strenge Aufsicht. Das Ministerium ist 
zwar aus vielen Elementen gebildet, dennoch beseelt es 
nur ein Gedanke: den noch in Trümmern liegenden 
Kaiserstaat zu einer imposanten Größe aufzurichten, den 
übrigen deutschen Staaten gleichzustellen und in die 
Einrichtungen Bahnen und Fortschritte zu bringen, 
kurz, sich zu regenerieren. Über die Mittel, zu diesem 
Ende zu kommen, will ich nicht urteilen, aber den Ein¬ 
druck habe ich von Wien mitgenommen, daß der Kaiser 
selbst und die Männer, die ihn beraten, Mut und Aus¬ 
dauer genug besitzen, um vor keinem Hindernis zurück¬ 
zuschrecken.“ 
Und. hier sei noch eine kurze Charakteristik des jungen 
Kaisers angefügt, die Bismarck etwa um dieselbe Zeit an 
den preußischen Ministerpräsidenten schrieb: 
„Vom Kaiser höre ich von den jüngeren Herren, daß er 
alles mit einem für seine Jahre seltenen Maßhalten 
treibt, bis auf seine Regentenpflichten und gelegentlich 
die Jagd. Er strengt seinen Körper übermäßig mit Tan¬ 
zen, Reiten und Schlafentbehren an. Er steht um vier 
Uhr auf und arbeitet rastlos 
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