Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

in ritterlichen Künsten recht bewandert, liebte das Tanzen 
sehr. In Wien, wo seit der Kongreßzeit vor allem der 
Tanz in allen Gesellschaftskreisen die eigentliche be¬ 
lebende Kraft gesellschaftlichen Lebens abgab, wäre ein 
anderes ganz unnatürlich gewesen. In Briefen aus der 
Hofgesellschaft jener Tage lesen wir nun, wie sich der 
jugendfrische Kaiser an den von seiner Mutter arrangierten 
kleinen Tanzfesten vergnügte, wie er in dem „reizenden 
Komtessenflor“ höchst beglückte Partnerinnen fand, auch 
der einen oder anderen zeitweilig besonders huldigte. Im 
übrigen verlief alles am Hofe nicht anders als es in dem 
Palaste einer großen Adelsfamilie während des Winters 
in Wien zuging, in dem ein junger Majoratsherr re¬ 
gierte. Das Erbteil an „bürgerlicher“ Lebenshaltung, das 
in der kaiserlichen Familie der Yater Franz Josephs in 
seiner stillen und menschenfreundlichen Art nach wie vor 
verwaltete, wehrte allein schon schlimmen Übertreibungen 
und allen gefährlichen Entgleisungen jugendfrischer Le¬ 
benslust den Zugang. Die von Bertha von Suttner vor 
langen Jahren herausgegebene Sammlung von Hofdamen¬ 
briefen gibt uns ganz reizende Schilderungen dieses „ado- 
leszenten“ Treibens vom Fasching 1852—53. In den Häu¬ 
sern der großen Familien der Schwarzenberge und Liech- 
tensteine, sowie auf den „Kammerbällen“ der Erzherzogin 
Sophie fand der Kaiser ein seinem Alter angemessenes 
Vergnügen. Er selbst zeigte sich auch in diesen Fällen 
taktvoll, er wollte keine eigentlichen kaiserlichen Hof¬ 
bälle. Als sich auch in dem Wien des Belagerungszustandes 
die uralte Lebenslust von Jahr zu Jahr stärker regte und 
im Bürgertum sowie in den breiten Volkskreisen sich ein¬ 
stellte, da drang auch durch die den Hof umgebende erste 
Gesellschaft der alten Residenz ein wahrer Strom von 
Jugendlichkeit und Lebensfreude. „Die Verjüngung Öster¬ 
reichs“, von der damals in hochpolitischem Sinne so viel 
geredet und in den offiziellen Zeitungen geschrieben wurde, 
war mit dem jungen Kaiser tatsächlich in die regierenden 
Gesellschaftskreise eingezogen, bildete einen Grundzug des 
ganzen nachrevolutionären Zeitalters. So schildert meinem 
Briefe eine Dame vom Hofe einen großen Festakt in der 
Burg, an dem alle führenden Persönlichkeiten und ihre 
Damen teilnahmen, darunter auch, wie es dort heißt, „das 
braungelockte Ministerium“. Die „alten Hof- und Staats- 
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