Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

mals aus eigenem Denken sich zu erwerben vermocht. 
Franz Josephs spätere Regierung bezeugt, wie wenig er 
übrigens diese Wahrheit auch späterhin anzuerkennen be¬ 
reit gewesen ist. Obgleich ihn doch schon die Organe 
des modernen Staatslebens, Parlament und Presse, immer 
wieder förmlich auf diese Grundwahrheit hinwiesen! Der 
ganze Verlauf der österreichischen Außenpolitik während 
des Krimkrieges zeigt überhaupt, daß Franz Joseph sich 
über die Wurzeln seiner Herrschermacht und über den 
Lebenszweck seines Reiches noch kein klares Bild ge¬ 
macht hatte. Indem er Rußland schädigte, schwächte er 
seine Stellung als absoluter Beherrscher seiner eigenen 
Länder. Indem er Frankreich die volle Hilfe versagte, 
führte er den von ihm im Stillen immer gefürchteten 
Verlust der italienischen Besitzungen des Erzhauses un¬ 
vermeidlich herbei. 
Geht man auf die letzten Gründe zurück, so ist es un¬ 
verkennbar, daß es des jungen habsburgischen Kaisers 
tiefste Überzeugung gewesen ist, von der alle seine Schritte 
geleitet wurden: er könne das von den Vorfahren ererbte 
Reich nur als absoluter Herrscher Zusammenhalten. Die 
Mangelhaftigkeit seines staatsmännischen Denkens tritt 
nun darin hervor, daß er sich nicht klar zur logischen Folge 
seiner tiefsten Überzeugung bekannte, nämlich daß er, 
absoluter Herrscher Österreichs und Ungarns, die russische 
Macht jetzt und für lange Zeit hinaus nicht schwächen 
helfen dürfen, selbst auf die Gefahr hin, daß die Revolu- 
tionierung der christlichen Völker des Balkans ihm in 
Ungarn und Kroatien vermehrte Schwierigkeiten bereiten 
könnte. „Die Naturwidrigkeit solcher Undankbarkeit“, wie 
er sie gegen Nikolaus beging, die Kurzsichtigkeit, die sich 
darin verriet, hatte der Zar richtig stigmatisiert. Das 
hätte Franz Joseph nur eben selbst vorher erkennen 
müssen. 
Der furchtbare Fehler, den er dadurch beging, daß er 
dann dem durch die Westmächte in die Enge getriebenen 
Zaren zeitweise als deren allerdings unwilliger — Verbün¬ 
deter gegenübertrat, konnte von ihm nie mehr gut gemacht 
werden. Und gerade, weil er für sich den Absolutismus 
als praktische Naturnotwendigkeit in Anspruch nahm, 
mußte es ihm unnatürlich erscheinen, dem Abenteurer in 
Paris — dem „mächtigen Spitzbuben“, wie er ihn einige 
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