Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Nikolaus I. als den Hort der deutschen Reaktion von 
seinem Piedestal zu stürzen. War es doch Preußen und 
Österreich nur deshalb möglich gewesen, das Frankfurter 
Yolkspariament, den Wiener Reichstag und den ersten 
demokratischen Landtag in Berlin zunichte zu machen, 
weil hinter den Habsburgern und den Hohenzollern, aber 
auch hinter den übrigen Königen und Herzogen der furcht¬ 
bare Russenzar stand! Wie aber hätte Franz Joseph die 
Rolle eines Führers Deutschlands, des ganzen großen 
Deutschlands, gegen das von den Westmächten bekämpfte 
Rußland übernehmen können? Wie hätte er, der zwei 
Jahre vorher mit aller Gelassenheit die seinen Völkern ge¬ 
gebene Verfassung mit Stumpf und Stiel beseitigt hatte, 
jetzt etwa eine Koalition des ganzen Westens und der 
deutschen Mitte des Kontinents gegen den „Erbfeind“ 
der konstitutionellen Idee zusammenbringen können? Er, 
der gerade damit beschäftigt war, das von Schwarzenberg, 
Kübeck und Alexander Bach geschaffene moderne System 
der Autokratie in seinem eigenen Reiche nunmehr bis in 
alle Einzelheiten auszubauen und durch eine waffen¬ 
gewaltige Gendarmerie jede Regung modernen politischen 
Denkens und politischer Freiheit in seinem weiten Reiche 
niederzuhalten! Franz Joseph trat, angestachelt durch 
sein inneres Ressentiment, dem Zaren entgegen, als dieser 
politische und ökonomische Lebensinteressen Österreichs 
verletzte oder schwer gefährdete. Insofern ging Franz 
Joseph den alten gewohnten Weg der europäischen Diplo¬ 
matie und erzielte damit schließlich auch einen gewissen 
Augenblickserfolg. Aber um aus diesem Erfolg dauernden 
Nutzen zu ziehen, hätte Franz Joseph entweder seine ge¬ 
samten Machtmittel einsetzen müssen, um besser noch 
als die Westmächte nach kriegerischer Niederringung 
Rußlands im Verein mit diesen von der geographischen 
Vorzugsstellung seines Reiches Gebrauch zu machen und 
die Donaufürstentümer sowie die Donaumündungen seinem 
Herrschaftsgebiete einzuverleiben. Die Kosten einer sol¬ 
chen Aktion an Mannschaft und Geld wären verhältnis¬ 
mäßig nicht viel größer gewesen als die Opfer, die er 
durch die Mobilisierung schließlich seiner ganzen Armee 
bloß zur Deckung der bewaffneten Neutralität tatsächlich 
auf bringen mußte. Oder aber — Franz Joseph hätte den 
Krieg und selbst die drohenden Rüstungen vermeiden 
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