Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

dottes von Schweden oder die belgischen Coburger oder 
die Obrenovic von Serbien oder die durch Plebiszit be¬ 
rufenen Herrscher des geeinigten Italiens. 
Die Kraft, welche diese dem legitimen Erbherrn von 
Kindheit an eingepflanzte Vorstellung vom Wesen des 
Herrscheramtes des Fürsten zeitlebens ausübt, hat unver¬ 
meidlich zur Folge, daß dessen menschliche Persönlichkeit 
und die in ihr ruhenden Entwicklnngsmöglichkeiten davon 
mehr oder weniger durchsetzt und bestimmt werden. So 
wird der individuelle Charakter des Monarchen unwider¬ 
stehlich in die „Regentenpersönlichkeit“ umgewandelt, in 
der die individuellen Charakterzüge zwar noch an den Er¬ 
folgen oder Mißerfolgen der Regierung mitwirken, aber 
kaum mehr aus dem politischen Lebensbild völlig heraus¬ 
gehoben werden können. Bei keinem anderen Herrscher 
großer Reiche in unserer Zeit tritt dies klarer zu Tage als 
bei Kaiser Franz Joseph. Sein Leben, wie es in seiner 
Regierungszeit von 68 Jahren vor uns liegt, ist fast von 
Anbeginn Geschichte und nur mehr — Geschichte: Ge¬ 
schichte seiner Staaten und Völker, europäische Ge¬ 
schichte, zuletzt Weltgeschichte. 
Der Biograph Franz Josephs muß daher den Versuch 
unternehmen, das Persönliche im Politischen, den Men¬ 
schen im Regenten zu zeigen. Die große Schwierigkeit, die 
hier vorliegt und die sich vor allem in dem Fehlen er¬ 
schöpfender Beurkundung des ganz persönlichen Wesens 
und Lebens des Kaisers ausdrückt, kann nicht hindern, 
daß der Versuch unternommen wird, die europäische Ge¬ 
schichte seiner Zeit vom Gesichtspunkte der persönlichen 
Herrschertätigkeit Franz Josephs zu überschauen. Dadurch 
wird auch der menschlichen Persönlichkeit dieses „unper¬ 
sönlichsten“ Monarchen, den Europa im 19. Jahrhundert 
gesehen hat, ihr Recht zuteil werden. Schließlich darf man 
nicht übersehen, daß der Charakter und das ganze Wesen 
des achtzehnjährigen auf den Thron gelangten Jünglings 
fast einzig und allein durch die Politik, durch sein Herr¬ 
scheramt ausgebildet, zur Reife gebracht worden sind. Nicht 
irgendwelche hohe Schule oder theoretische Unterweisungen 
haben Franz Joseph von dem Tage an, da er Kaiser geworden 
war, erzogen; aber auch kein „Günstling“ hat ihm die Last 
und Verantwortung seiner großen Pflichten abgenommen, 
sondern die täglich sich erneuernden Ansprüche seines 
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