Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

und leidend durch fast siebzig Jahre der ganzen Wucht 
der inneren und äußeren Macht- und Regierungsprobleme 
seines Reiches unablässig Stand gehalten hat, in die er 
als Erbe des Erzhauses von Anfang an verstrickt war. Die 
Einzigartigkeit seines Lebensbildes liegt nun vor allem, 
darin, daß Franz Joseph, wie er selbst dem früheren Prä¬ 
sidenten Roosevelt sagte, als er ihn in der Wiener Burg 
empfing, „der letzte europäische Monarch der alten Schule“ 
gewesen ist. Das will sagen: Kaiser Franz Joseph hat, 
wenn auch in sehr verschiedenartigen Verfassungsformen, 
bis zu seinem Ende für sich die uralte Vorstellung von 
dem Herrscher festgehalten, dessen Wille jederzeit sich 
als stärkste politische Kraft innerhalb seines Reiches 
geltend macht. Franz Joseph ist in der Tat nie ein 
Schattenkaiser gewesen: er blieb bis zum Tage, da der 
Weltkrieg begann, der letzte entscheidende Wille in 
seinem weiten Reiche. 
Eine historische Übersicht über das Monarchentum im 
Europa des 18. und 19. Jahrhunderts läßt klar erkennen, 
worin die Idee des Herrschertums nach altem Rechte wur¬ 
zelt. Darin nämlich, daß sie alle durchaus erfüllt waren 
von der Vorstellung, daß das ihnen von der „Vorsehung“ 
verliehene Plerrscheramt in seiner Ausübung schließlich 
nur in dem eigenen Gewissen des christlichen Regenten 
seine Schranke findet. Diese Idee bildete die unverrück¬ 
bare, moralische und geistige Grundlage für alle Fürsten 
Europas, auch dann noch, als die französische Revolution 
ihr die Idee der unbegrenzten Volkssouveränität zeitweilig 
mit vollem Erfolge entgegengesetzt hatte. Es ist dieselbe 
Idee von dem Herrschaftsamte, die Friedrich Wilhelm IV. 
von Preußen und sein Bruder, der deutsche Kaiser Wilhelm I. 
immer wieder verkündigen und die wir bei jedem der im 
Deutschen Reiche vereinigten Fürsten mehr oder minder 
klar ausgesprochen finden, nicht anders aber auch bei den 
bourbonischen Königen Frankreichs — bei diesen ebenso 
spezifisch national gefärbt wie etwa bei den russischen 
Zaren — oder bei den Beherrschern des habsburgischen 
Reiches. Im Grunde genommen ist also das historische 
Monarchentum Europas ein in seinem innersten Wesen 
gleichartiges Ergebnis der tausendjährigen gemeinsamen 
Geschichte der Völker des Kontinents. Die Orleans und 
die Napoleons gehören dazu ebensowenig als die ßerna- 
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