Volltext: Der politische Zusammenbruch und die Anschlußfrage

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wirtschaftliche Auseinandersetzung mit uns bald suchen wird imd daß 
auch Jugoslawen und Italiener schon wegen der eigentümlichen Lage 
Triests sich mit uns leichter verständigen werden, ohne daß es vielleicht 
politischer Klamniern bedarf. Um aber unsere wirtschaftliche Zukunft in 
einer Zollföderation wirklich aus feste Grundlagen zu stellen, um nicht 
Gefahr zu laufen, daß im ungeeignetsten Moment von dem einen oder 
anderen der Nationalstaaten Politik und Wirtschaft verquickt und wir 
durch einen politischen Druck um die Vorteile der wirtschaftlichen Gemein- 
famkeit gebracht werden — es gibt in dieser Beziehung zahllose Kom- 
binationen und Möglichkeiten — brauchen wir von Haus aus vertrag- 
liche Sicherungen, die auf das politische Gebiet übergreifen. Ein Ein- 
Verständnis über solche Sicherungen wird nun namentlich mit dem 
tschechoslowakischen Staate überaus schwer zu erzielen sein. Für uns 
würden diese politischen Klammern notwendig bedeuten, daß wir einen 
Teil unserer staatlichen, vielleicht auch nationalen Prärogativen zugunsten 
des wirtschaftlichen Beisammenseins preisgeben müssen und das in einer 
Gemeinschaft, in der die Deutschen doch beiweitem nicht die Rolle spielen 
und beiweitem nicht das politische Gewicht hätten, wie in dem alten 
Österreich. Führt man diesen Gedankengang zu Ende, so ergibt sich 
schließlich die Schicksalsfrage, ob wir auf den Anschuß an Deutschland 
verzichten wollen, um eine absolut zuverlässige wirtschaftliche Gemeinschaft 
mit den anderen nationalen Staaten zu erreichen. Ein solcher Verzicht 
muß aus nationalen und realpolitischen Gründen offenbar aus der Er- 
wägung ausscheiden. Überhaupt kommt aber ein Preisgeben staatlicher 
Prärogativen für eine Gemeinschaft, in der offenbar keine gleichgerichteten 
politischen Interessen höherer Ordnung mehr bestehen würden, wohl nicht 
in Betracht. Aber selbst nationalpolitische Opfer geringerer Bedeutung 
für eine solche Gemeinschaft würden unter den gegebenen Verhältnissen 
bedenklich der berühmten Operation Esaus, nämlich dem Preisgeben der 
Erstgeburt für ein Linsengericht, ähneln. 
Die Herren werden nun fragen, was ich eigentlich anstrebe, und 
vielleicht eine Lücke in meinen Ausführungen finden. Ich gebe das bis 
zu einem gewissen Grade zu. Die Lösung kann ich hier nur audentuugs- 
weise berühren, weil das Thema ein außerordentlich heikles ist und ich 
glaube, daß man heute selbst in einem engeren Kreise eine Präzisiernng 
noch nicht versuchen sollte. Ich stelle mir eben vor, daß wir die 
Lösung im Einvernehmen mit Deutschland suchen; wir werden uns 
mit den Deutscheu an den Tisch setzen und eine gemeinsame Handels- 
Politik speziell auch gegenüber den Nationalstaaten vereinbaren. Dabei
	        
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