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Da die Gefahr nahe lag, daß der Notstand, den jeder Krieg im
Gefolge hat, durch dieses eigennützige 2 reiben der Lebensmittelwucherer bald
eine weitere Verschärfung erfahren würde, ergab sich die Notwendigkeit,
gesetzliche Anordnungen zu treffen, die einerseits den Lebensmittelwncher
unter Strafe stellen und andrerseits die Möglichkeit bieten, die ungesunde
Spekulation mit du: unentbehrlichen Bedarfsgegenständen tunlichst zu ver¬
hindern und die anstandslose Approvisionierung der Gemeinden sicherzustellen.
Diesen Zweck verfolgte die
Kaiserliche Verordnung vom 1. August 1914, R. G. Bl.
Nr. 194,
mit welcher für die Dauer der durch den Kriegszustand verursachten außer¬
ordentlichen Verhältnisse Bestimmungen über die Versorgung der Bevölkerung
mit unentbehrlichen Bedarfsgegenständen getroffen wurden. Als unentbehrliche
Bedarfsgegenstände bezeichnet die Kaiserliche Verordnung alle Waren, die
zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse der Menschen und als
Nahrungsmittel für Haustiere dienen.
Vorratsaufnahme und Pflicht Durch die Kaiserliche Verordnung wurde der politischen Landesbehörde
zur Auskunftserteilung. zunächst das Recht eingeräumt, in ihrem Verwaltungsgebiete nach Bedarf
die Vorräte an unentbehrlichen Bedarfsgegenständen aufzunehmen, um ein
klares Bild über die inländischen Vorräte zu gewinnen und den beun¬
ruhigenden Gerüchten über Lebensmittelmangel den Boden zu entziehen.
Erzeuger, Händler, Lagerhäuser und sonstige Verkehrsunternehmungen,
die unentbehrliche Bedarfsgegenstände vorrätig oder für andere in Ver¬
wahrung halten, wurden zur Auskunfterteilung über die Menge und Gattung
ihrer Vorräte verhalten. Unrichtige Auskunfterteilung wurde als bloße
Ordnungswidrigkeit unter eine administrative Strafsanktion gestellt, während
die vorsätzliche Verheimlichung als Vergehen qualifiziert wurde.
Pflicht der Überlassung an Um die Approvisionierung der Gemeinden zu sichern, legt ferner die
Gemeinden. Kaiserliche Verordnung nach dem Muster des Gesetzes vom 26. Dezember
1912, R. G. Bl. Nr. 236, betreffend die Kriegsleistungen, den Erzeugern,
Händlern und Verkehrsunternehmungen die Pflicht auf, ihre Vorräte an
unentbehrlichen Bedarfsgegenständen, falls deren anderweitige Beschaffung
nicht tunlich erscheint, über Anforderung der politischen Landesbehörde gegen
eine vorläufige, im administrativen Wege festzusetzende Vergütung für die
Zwecke der Approvisionierung der Gemeinde, die darum ansucht, zu über¬
lassen.
Die vorläufige Vergütung sollte von Sachverständigen nach dem
gemeinen Werte festgestellt werden. Wer sich mit dieser Vergütung nicht
zufrieden gibt, kann binnen sechzig Tagen vom Tage der Übergabe der Ware
seinen Anspruch vor Gericht mittels Klage geltend machen. Die Verpflichtung
zur Lieferung wird dadurch nicht aufgeschoben.
Über Vorräte an Bedarfsgegenständen, die sich in Verwahrung einer
öffentlichen Verkehrsunternehmung befinden und etwa zur Versorgung von
großen Städten bestimmt sind, kann die politische Landesbehörde nur nach
eingeholter Genehmigung oder über Weisung des Ministeriums des Innern
verfügen, damit einer Störung in der Approvisionierung dieser Städte vor¬
gebeugt werde.