297
Beteiligung gemeinnütziger
Bauvereinigungen an der
Hilfsaktion für Flüchtlinge.
Beschaffung von Arbeirs-
Kelegenheiten für Kriegs-
flücktlinge.
Neben der Durchführung der individuellen Unterstützung der Flüchtlinge
hat die Zentralstelle — gleichfalls zum größten Teil aus staatlichen Mitteln —
eine ganze Reihe von kulturellen und sozialpolitischen Einrichtungen für das
Wohl der nach Wien geflüchteten Bevölkerung ins Leben gerufen, von
welchen hier nur der Kinderhort für 1000 Flüchtlingskinder, zwei für
Hunderte von Flüchtlingskindern bestimmte Kinderheime, zwei Mädchenheime
für alleinstehende Flüchtlinge weiblichen Geschlechtes, die Kleider- und Wäsche¬
verteilungsstelle, das unter der Leitung des Rektors v. Twardowski be¬
stehende Studentenheim, die mit dem galizischen Landeshilfsverein gemeinsam
errichtete Nähstube für weibliche Flüchtlinge, die von Frau Anita Müller
errichtete spezielle Säuglings- und Wöchnerinnenfürsorge, eine Teestube und
Suppenanstalt für Flüchtlinge, eine Kohlenbeteilungsstelle, die im Rahmen
des staatlichen Dienstes eingerichtete Vermißtensuche angeführt seien. Das
bereits genannte Wiener Hilfskomitee hat ebenfalls, und zwar aus
eigenen Mitteln, eine namhafte Anzahl von Wohltätigkeitseinrichtungen
geschaffen, von welchen speziell das Flüchtlingsheim (I., Wallnerstraße 1) mit
Kinderhorten, Speiseeinrichtungen und Lesehallen für sozial höherstehende
Flüchtlinge sowie große Ausspeisehallen in anderen Wiener Bezirken zu
nennen sind. Neben diesen amtlichen, beziehungsweise öffentlichen Einrichtungen
bestehen in Wien eine große Zahl privater Initiative entsprungene und mit
privaten Mitteln unterhaltene Fürsorgeinstitutionen (Speiseanstalten, Jausen-
und Frühstückstuben, Brot- und Kleiderverteilungsstellen re.).
Ähnlich, wenn auch nicht überall so entwickelt, sind die Einrichtungen
in den übrigen größeren Flüchtlingsgemeinden und Niederlassungen.
Die in Betracht kommenden gemeinnützigen Bauvereinigungen (Gemeinde-
anstalten, Genossenschaften, Gesellschaften, Vereine usw.), die aus den Mitteln
der staatlichen Wohnungsfürsorge gefördert worden waren, sind nach Klar¬
stellung der einschlägigen Rechtsverhältnisse von der Regierung veranlaßt
worden, zugunsten der Hilfsaktion für Flüchtlinge ihre verfügbaren Räum¬
lichkeiten — einzelne Räume, Wohnungen oder ganze Einfamilienhäuser —
gegen mäßiges Entgelt oder sogar kostenlos zur Verfügung zu stellen. Der
Erfolg war immerhin beachtenswert, da auf diese Weise 479 Flüchtlings¬
familien — unter Wahrung des Dezentralisierungsprinzips —■ in verschiedenen
Gemeinden untergebracht werden konnten.
Das Ministerium des Innern hat den gesamten politischen Verwaltungs¬
apparat für die Arbeitsvermittlung der Kriegsflüchtlinge herangezogen.
Hierbei wurde dafür Sorge getragen, daß Flüchtlinge tunlichst nur zu
solchen Arbeiten herangezogen werden, für welche einheimische Arbeitskräfte
nicht in ausreichender Menge vorhanden sind.
Um eine Konkurrenzierung einheimischer Arbeitsloser durch Flüchtlinge
zu vermeiden, hierbei aber doch letzteren, soweit sie nicht ohnedies in der Land¬
wirtschaft und bei militärischen Ballten Verwendung finden können, Gelegenheit
zu nützlicher Beschäftigung zu bieten, wurde in den Barackenniederlassungeu re.
die Errichtung von Nähstuben, Schuhmacherwerkstätten und sonstigen Be¬
schäftigungsanstalten teils bereits durchgeführt, teils in Aussicht genommen, in
welchen die Flüchtlinge gegen Gewährung mäßiger Prämien bei Fortgenuß
der Staatsunterstützung vornehmlich dazu verwendet werden, notwendige
Gegenstände zur unentgeltlichen Verteilung an ihre Schicksalsgenossen herzu-